Burnout-Betroffene sind keine chancenlosen Opfer

wirtschaft + weiterbildung: Inwiefern hat jemand "selbst Schuld", wenn er an Burnout erkrankt?
Gunter Schmidt: In der Regel kommen die Menschen nicht von sich aus in den Burnout, sondern nur in Wechselwirkung mit besonders stressigen Außenbedingungen. Wenn es diese Außenbedingungen nicht gäbe - zum Beispiel die Forderung, noch mehr Umsatz zu machen, obwohl gerade eine Wirtschaftskrise herrscht, dann würden diese Menschen nicht oder nicht so stark in eine Burnout-Phase hineinschlittern. In so einer Situation fragen sich die Mitarbeiter: Was kann ich ändern? Viele merken dann schmerzhaft, dass eine Kündigung nicht infrage kommt und dass ihr Einfluss auf die Verhältnisse gegenüber ihrem Arbeitgeber auch begrenzt ist. Trotzdem dürfen sich die Betroffenen nicht in Zynismus, Resignation und Selbstaufopferung flüchten.
wirtschaft + weiterbildung: Worin besteht dann die Aufgabe einer Burnout-Behandlung?
Schmidt: Die zentrale Aufgabe in der Burnout-Behandlung besteht darin, klarzumachen, dass es nicht stimmt, dass Menschen chancenlos und nur Opfer sind. Wenn wir das System nicht ändern können, dann hilft es nur zu schauen, wie wir optimale Umgangsformen mit der stressigen Situation finden. Das Ziel ist, eben gut umzugehen mit belastenden Situationen und trotzdem leistungsfähig zu bleiben. Das, was wir als Grundthese aufstellen und was die Hirnforschung bestätigt, ist folgende Erkenntnis: Der Außenreiz allein ist es nicht, der in den Burnout führt. Der Außenreiz wird dadurch erst zum Stressfaktor, dass er mit einer inneren Verarbeitungsdynamik zusammentrifft, sodass man sagen kann, dass sich die Leute selbst unter Druck setzen. Die Leute erleben es aber so, dass sie sagen, die Situation setze sie unter Druck. Die Menschen machen sich innerlich selbst Druck und da kann man ansetzen mit befreienden Strategien. Anschließend können sie auch mit mehr Kraft versuchen, die Verhältnisse am Arbeitsplatz zu ändern.
Das Interview führte Martin Pichler.
Dr. Gunther Schmidt
ist Ärztlicher Direktor der SysTelios Privatklinik für Psychotherapie und psychosomatische Gesundheitsentwicklung in Wald-Michelbach bei Heidelberg.
-
Bildschirmbrille: Fragen und Antworten
3.721
-
Wiedereingliederung - was ist zu beachten?
3.5101
-
Arbeitsmedizinische Vorsorge: Pflicht oder freiwillig?
2.576
-
Was tun, wenn der Frosch nicht verschwinden will
980
-
Dürfen Mitarbeiter frei bestimmen, wie sie ihre Pause verbringen?
843
-
Arbeitsstättenverordnung: Wann ist ein Pausenraum Pflicht?
829
-
Wutausbrüchen am Arbeitsplatz souverän begegnen
647
-
Wenn ein Mitarbeiter nachts nicht mehr arbeiten darf
435
-
Gefahr durch Epoxidharz wird unterschätzt
434
-
Drei-Schicht-System: Grundlagen, Funktionsweise und Arbeitsschutz
342
-
Fragmentierte Arbeitszeiten verbessern Work-Life-Balance nicht
04.04.2025
-
Mit BGM fit durch die Menopause
03.04.2025
-
Soziale Konflikte am Arbeitsplatz: Beispiele und Lösungen
01.04.2025
-
DGUV Barometer zeigt deutlichen Negativtrend auf
31.03.2025
-
Psychische Erkrankungen verursachen mehr Fehltage
26.03.2025
-
Leistungsminderung durch Lärm: Bedeutung der subjektiven Wahrnehmung
21.03.2025
-
Steigende Sitzzeiten bedrohen die Gesundheit
13.03.2025
-
Mobbing am Arbeitsplatz betrifft vor allem junge Menschen
10.03.2025
-
Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen: Pflicht und Herausforderung
06.03.2025
-
Gutes Betriebsklima: Wie das Arbeitsklima beeinflusst wird
04.03.2025