Leitsatz
Wird eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft infolge einer verzögerten Eintragung des Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister erst in dem auf das Jahr der Handelsregisteranmeldung folgenden Jahr steuerlich wirksam, liegt darin keine sachliche Unbilligkeit. Das gilt auch, wenn die verzögerte Eintragung auf einem Fehlverhalten einer anderen Behörde – hier: Registergericht – beruhen sollte.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 Satz 2, § 17 KStG, § 163 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die klagende GmbH schloss am 15.3.2006 mit der A GmbH als Organträgerin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag; der Vertrag sollte "mit der Eintragung in das Handelsregister ... wirksam (sein) und ... rückwirkend ab dem 1. Januar 2006 (gelten)". Der Notar meldete den Vertrag unter dem 18.9.2006 zur Eintragung in das Handelsregister beim zuständigen Amtsgericht an (Eingang: 24.10.2006). Der Rechtspfleger erstellte unter dem 6.12.2006 eine Quittung, er habe das "Schreiben nebst Anlagen heute erhalten". Die Quittung ging am 12.12.2006 beim Notar ein. Die Eintragung erfolgte erst am 26.1.2007. Mit Nachtragsvereinbarung (2007) verlängerte man die Mindestlaufzeit des Vertrags um ein Jahr. Die Klägerin führte den Gewinn 2006 an die A GmbH ab.
Das FA setzte insoweit eine vGA an (unwirksamer Vertrag). Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.
Bereits am 29.8.2008 hatte die Klägerin beim FA beantragt, die Steuerfestsetzung wegen Unbilligkeit aufzuheben. Auch die Klage gegen die Ablehnung war erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.4.2015, 6 K 1284/14, Haufe-Index 8653034, EFG 2015, 2156).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück.
Hinweis
1. Der "letzte Rettungsanker" der GmbH war nach rechtskräftiger Bestätigung der Steuerfestsetzung (unter Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung – vGA) der Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (hier: sachliche Unbilligkeit).
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 163 Abs. 1 AO sind aber bekanntlich recht eng: Insbesondere rechtfertigt eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, keine Billigkeitsmaßnahme.
3. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG ist das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird. Dabei setzen § 17 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags voraus, die wiederum auch die Handelsregistereintragung erfordert. Ein wegen fehlender Eintragung nichtiger Vertrag ist für die Zeit seiner Durchführung nicht nach den zivilrechtlichen Grundsätzen der sog. fehlerhaften Gesellschaft als wirksam zu behandeln.
4. Wenn damit der Gesetzgeber die Besteuerung der Organgesellschaft zwischen dem (auch rückwirkend möglichen) Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags und seiner Eintragung in das Handelsregister bewusst in Kauf genommen hat, besteht hier kein Überhang des gesetzlichen Tatbestands des § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG über die mit der Norm verbundenen Wertungen des Gesetzgebers. Ein Erlass der auf dem Gewinn der Organgesellschaft lastenden Körperschaftsteuer würde vielmehr die Geltungsanordnung des Gesetzes unterlaufen.
Dies gilt auch dann, wenn die verzögerte Eintragung auf einem Fehlverhalten des Registergerichts beruht. Denn der Gesetzgeber hat – obwohl ihm in Bezug auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Vertrags ein Abstellen auf von der Organgesellschaft zu beeinflussende Umstände durchaus möglich gewesen wäre – im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis die Wirkungen und Umstände des jeweiligen Einzelfalls bewusst unberücksichtigt gelassen und maßgeblich auf die Eintragung abgestellt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.8.2017 – I R 80/15