Rz. 72

Der Gesetzgeber hat im HGB ebenso wie das IASB im IFRS 3 hinsichtlich der Regelungen für die Kapitalkonsolidierung explizit nur einstufige Konzerne behandelt. In der Praxis sind aber häufig mehrstufige Konzerne anzutreffen, d. h., eine Tochtergesellschaft ist gleichzeitig selbst Mutterunternehmen eines anderen Tochterunternehmens. In diesen Fällen wird aus Sicht des obersten Mutterunternehmens von einem Enkelunternehmen gesprochen. Da auch dieses Unternehmen als verbundenes Unternehmen des Mutterunternehmens gilt, sobald eine Beherrschungsmöglichkeit besteht, muss es auch in der Konzernbilanz konsolidiert werden.

 

Rz. 73

Folgende Abbildung verdeutlicht den Aufbau und die generellen Möglichkeiten der Konsolidierung für einen mehrstufigen Konzern:

Abb. 4: Schematische Darstellung und grundsätzliche Möglichkeiten der Konsolidierung mehrstufiger Konzerne[1]

 

Rz. 74

Folgendes Beispiel soll für die Erläuterungen herangezogen werden:

Die M-GmbH erwirbt im Geschäftsjahr 01 80 % an der T-GmbH, die seit mehreren Jahren 60 % der Anteile an der E-GmbH hält. Die Bilanzen haben zum Ende des Geschäftsjahres 01 folgendes Aussehen (in TEUR), wobei latente Steuern von 50 % bei der Auflösung der stillen Reserven berücksichtigt wurden.

 
(in TEUR) M-GmbH (MU) T-GmbH (TU) E-GmbH (EU)
  HB II HB II HB III HB II HB III
(sonstiges) AV 100 100 160 100 200
Anteile an verb. Unt.          
M an T 100        
T an E   100 100    
Umlaufvermögen 160 100 100 100 100
Summe Aktiva 360 300 360 200 300
EK 150 50 80 100 150
FK 210 250 280 100 150
Summe Passiva 360 300 360 200 300

Tab. 8: Ausgangsdaten für die Kapitalkonsolidierung im mehrstufigen Konzern zum 31.12.01

Als unterschiedliche Möglichkeiten der Kapitalkonsolidierung mehrstufiger Konzerne kommen die Simultankonsolidierung (Gleichungsverfahren) und die Kettenkonsolidierung in Betracht, wobei Letztere vom DRSC deutlich präferiert wird. Bei der Simultankonsolidierung werden alle Unternehmen gleichzeitig in einer Summenbilanz zusammengefasst und für jedes einzelne eine Konsolidierung mithilfe des Gleichungs- oder Matrizenverfahrens vorgenommen. Beim Gleichungsverfahren wird der gesamte Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung bei einem 2-stufigen Konzern mit folgender Formel errechnet, wobei die Werte des Beispiels eingefügt wurden:

 
  Beteiligungsbuchwert des TU in der Einzelbilanz der Mutter 100
Beteiligungsquote des MU am TU × neubewertetes Eigenkapital des TU 64
+ Beteiligungsbuchwert des EnkelUnt in der Bilanz der Tochter 100
Beteiligungsquote des TU am EU × neubewertetes EK des Enkelunternehmens 90
= Gesamter Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung 46

Tab. 9: Ableitung des gesamten Unterschiedsbetrags eines 2-stufigen Konzerns über das Gleichungsverfahren

Die nicht beherrschenden Anteile sind ohne Berücksichtigung der indirekten Anteile wie folgt zu ermitteln:

 
  Direkte Beteiligungsquote der nicht beherrschenden Anteile am TU × neubewertetes EK des TU 16
+ Direkte Beteiligungsquote der nicht beherrschenden Anteile am EnkelUnt × neubewertetes EK des EnkelUnt 60
= Nicht beherrschende Anteile 76

Tab. 10: Ableitung der nicht beherrschenden Anteile eines 2-stufigen Konzerns über das Gleichungsverfahren

Die Ermittlung des Ausgleichspostens für die nicht beherrschenden Anteile in mehrstufigen Konzernen ist umstritten, sofern Beteiligungen anderer Gesellschafter auf mehreren Stufen vorliegen.

Bei der direkten additiven Ermittlung wird der Goodwill und der Ausgleichsposten für die nicht beherrschenden Gesellschafter auf der jeweiligen Konzernstufe ermittelt – also jeweils aus Sicht des Unternehmens, welches die Beteiligung hält. Die tatsächlichen Beteiligungsquoten werden bei der additiven Ermittlung nicht abgebildet, sodass die im Konzernabschluss gezeigten Anteile nicht beherrschender Gesellschafter und damit auch der Goodwill höher ausfallen.

Bei der indirekten multiplikativen Ermittlung hingegen sind die indirekten Anteile nicht beherrschender Gesellschafter ebenfalls zu berücksichtigen, damit der Ausgleichsposten für Anteile nicht beherrschender Gesellschafter zutreffend ausgewiesen wird. Der (Teil-)Konzernabschluss ist immer aus Sicht des obersten – den Konzernabschluss aufstellenden – MU durchzuführen. Dabei ist der von den anderen nicht beherrschenden Gesellschaftern mit dem Kaufpreis für die Beteiligung anteilig bezahlte Goodwill gegen deren Ausgleichsposten zu kürzen (Kreisanteil).

Auch wenn die multiplikative Ermittlung in der Literatur teilweise für zulässig und für zutreffender erachtet wird,[2] ist nach der die Enforcement-Entscheidung (Bundesanstalt für Finanzaufsicht) für den IFRS-Konzernabschluss stützenden Entscheidung des OLG Frankfurt vom 4.2.2019[3] die additive Ermittlung im Ergebnis das "objektiv richtige" Verfahren.[4] Baetge et al. entwickelten für den HGB-Konzernabschluss eine Kompromissvariante, indem die Frage der additiven oder multiplikativen Ermittlung der Beteiligungsquote von der Entstehungsgeschichte des mehrstufigen Konzerns abhängig gemacht w...

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