Gründe für die geringe Aktionärsquote in Deutschland Teil 1

Die Studie der Frankfurt School of Finance & Management und der Goethe-Universität Frankfurt a. M. im Auftrag der Deutschen Börse AG zur Aktionärsquote, analysiert von Dr. Andreas Schyra. Teil 1: Aufbau der Studie und Auswirkungen geschlechterspezifischer Unterschiede.

Nur wenig deutsche Privatpersonen legen ihr Geld in Aktien an

Es ist keine neue Erkenntnis, dass nur eine sehr geringe Anzahl deutscher Privatpersonen ihr Geld in Aktien anlegt. Im ersten Abschnitt des zweiteiligen Artikels wird dargestellt, wie die Studie aufgebaut ist und welche u.a. geschlechtertypischen Spezifika die Geldanlage beeinflussen. Die Forscher/-innen der Frankfurt School of Finance & Management und der Goethe-Universität Frankfurt haben sich im Auftrag der Deutschen Börse AG mit der weitergehenden Fragestellung befasst und erforscht, weshalb dies so ist. Die Erkenntnisse sind sehr aussagekräftig, umfassen jedoch eine Komponente, die weit über finanzwirtschaftliche Fragestellungen hinaus nachdenklich stimmen sollte und in der Fortsetzung des Artikels genauer dargestellt wird.

Die Studie, die neue mit teilweise international bereits genutzten Forschungsfragen verbindet, wurde unter dem Titel „Zum Rätsel der Aktienmarktteilnahme in Deutschland“ im Dezember 2019 veröffentlicht und von den Forschern Sebastian Eber, Michael Grote und Christine Laudenbach erstellt.

Der Beitrag fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und kommentiert diese.

Online-Befragung als Grundlage

Als Grundlage für die Studie wurde eine repräsentative Online-Befragung von 2.761 Teilnehmern vorgenommen, welche sich über Aktionäre bzw. Aktienfondsinhaber und Nicht-Aktieninhaber verteilt und etwa pari beiden Geschlechtern zuzuordnen ist. Der Fokus der Untersuchung wurde auf die Gründe für die geringe Verbreitung von Aktieninhabern in der deutschen Bevölkerung gelegt. Es wurden bekannte und bereits empirisch hinterfragte Beweggründe für die Teilnahme oder eben Nicht-Teilnahme am Aktienmarkt auf Basis folgender Faktoren untersucht und um neue, eigene Fragestellungen ergänzt.

Neoklassische Forschungsmodelle

Die neoklassische Forschungslehre setzt den Homo oeconomicus voraus, der vollkommen rationale, nutzenmaximierende Entscheidungen trifft. Investitionen basieren somit auf der risikoaversen Abwägung von Chancen und Risiken. Neben der persönlichen Risikoneigung und dem Anlagehorizont, beeinflussen auch Konsumpräferenzen die Tendenz eines Anlegers zu einerseits quasi risikolosen oder andererseits riskanten (Aktien-)Investitionen. Generell wirkt sich ein (geplanter) Konsum negativ auf den Aktienbesitz aus.

Soziale und persönliche Faktoren

Als soziale bzw. persönliche Einflüsse werden die Geschlechterzugehörigkeit, das bisherige Vermögen, die Bildung des Anlegers und sein soziales Umfeld in die Analyse einbezogen. Es wird damit eine Analyse ermöglicht, wie sich persönliche Erfahrungen und Emotionen auf getätigte oder unterlassene Handlungen am Aktienmarkt auswirken. Neben eigenen, prägen auch mitgeteilte Erfahrungen des Umfeldes positiv oder negativ. Diese Erkenntnisse sind wiederum eng mit den psychologischen Einflüssen verbunden, die beispielsweise besagen, dass Aktien, die mit einem Verlust veräußert wurden, tendenziell – auch zu einem späteren Zeitpunkt – nicht erneut erworben werden und negative eigene oder fremde Erfahrungen mit ersten Aktieninvestitionen die weiteren Handlungen prägen.

Verhaltenswissenschaftliche Einflüsse

Menschliches Handeln und menschliche Entscheidungsfindungen sind – entgegen der Annahmen der neoklassischen Forschungstheorie – typischerweise von psychologischen Faktoren geprägt. Die Behavioral Finance befasst sich mit der Untersuchung dieser Verhaltensbeeinflussungen, wie beispielsweise der Selbstüberschätzung oder der Verlustaversion, die das menschliche Verhalten von dem des Homo oeconomicus unterscheiden. Am Kapitalmarkt können derartige Verhaltensverzerrungen Verluste, die sich unbegrenzt fortsetzen, oder zu frühe Gewinnrealisierungen, zur Folge haben.

Durch werbliche Slogans versuchen beispielsweise Banken die Emotionen ihrer Kunden positiv zu beeinflussen. Grundsätzlich wurde festgestellt, dass positive Assoziationen mit dem Aktienbesitz unter Aktieninhabern deutlich stärker verbreitet sind als unter Nicht-Aktieninhabern. Es bleibt demnach der Eindruck, dass psychologische Faktoren tief verankert sind, durch werbliche Maßnahmen nur schwer durchbrochen werden können und auch rationale Argumente aufgrund der emotionalen Überlagerung nur bedingt wahrgenommen werden.

Partizipationskosten

Jede wirtschaftliche Entscheidung und Tätigkeit setzt die Akzeptanz gewisser Partizipations- bzw. Transaktionskosten voraus. Neben dem finanziellen Aufwand für die Ordererteilung und anschließende Wertpapierverwahrung werden hierzu auch die Kosten der Entscheidungsfindung und Research subsummiert. Zu Letzteren zählt sämtlicher zeitlicher oder finanzieller Aufwand, der betrieben werden muss, um seine eigene Entscheidung auf einer gewissen Informationsgrundlage treffen zu können.

Fragestellungen zur Einordnung der eigenen Beweggründe für oder gegen den Aktienbesitz

Die Studienteilnehmer sollten ihre individuellen Einschätzungen zu 37 Fragen geben und somit selbst einordnen, was Gründe für oder gegen eine Investition in Aktien sind. Die Auswertung der Einstufungen führen zu keinem eindeutigen Muster. Bedenken gegen Aktienanlagen sind demnach vielschichtig. Weit verbreitet ist jedoch die Befürchtung, bei Eintreten einer wirtschaftlichen Katastrophe viel Geld zu verlieren sowie über ein nicht ausreichendes Vermögen zu verfügen, um Aktien zu erwerben. Die weiteren Einflussfaktoren mit den höchsten Zustimmungsquoten, die die Tendenz zu Aktienkäufen deutlich negativ beeinträchtigen, sind folgende:

  • Der Aktienmarkt birgt zu hohe Risiken,
  • mangelndes Fachwissen,
  • negative Emotionen wie geringes Vertrauen in den Markt und Befürchtungen vor Betrug.

Chancen und Risiken sind bei Geldanlagen eng miteinander verbunden

Selbst Aktieninhaber hegen Bedenken, dass Aktieninvestitionen Risiken hoher Verluste bergen, was auch anhand der Praxis nicht von der Hand zu weisen ist. Schließlich gehen Chancen und Risiken am Kapital- bzw. Aktienmarkt miteinander einher. Andererseits sind die geringen bzw. nicht vorhandenen Chancen einer Kontoanlage auch eng mit äußerst geringen Risiken verbunden – zumindest soweit die kontoführende Bank wirtschaftlich solvent ist.

Männer weisen eine höhere Risikotoleranz auf als Frauen

Es existieren zahlreiche Studien zur Aktienbesitzanalyse, die eine geschlechterspezifische Trennung vornehmen und Männern aufgrund ihrer geringeren Risikoaversion eine stärkere Tendenz zu Wertpapierinvestitionen beimessen als Frauen. Die vorliegende Studie bestätigt diese Erkenntnis, da 83 % [68 %] der teilnehmenden Frauen [Männer] zu den Nicht-Aktieninhabern gezählt werden. Die jeweiligen Gründe beider Geschlechter für die Entscheidungen gegen Aktieninvestitionen sind jedoch vergleichbar. Lediglich bei der Selbsteinschätzung hinsichtlich des finanzwirtschaftlichen Fachwissens sehen sich Männer deutlich positiver als Frauen. Diese Erkenntnis und die grundsätzlich höhere Risikoneigung der Männer gleichen den Erkenntnissen bisheriger Forschungsveröffentlichungen.

Ausmaß der (finanzwirtschaftlichen) Bildung beeinflusst Alltagsentscheidungen

Im zweiten Teil des Artikels wird dargestellt, dass die finanzwirtschaftliche Bildung sowie die individuellen, teilweise irrationalen Entscheidungsfindungen und Begründungen für eine Ablehnung von Aktieninvestitionen nicht bei der Kapitalanlage enden, sondern weitreichende Folgen für zahlreiche (wirtschaftliche) Entscheidungen haben.

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