Abhängigkeiten des Investitionserfolges – Rationalität vs. Emotionen
Kalenderanomalien und Börsenweisheiten
Die vermeintliche Weisheit „Sell in May and go away but remember to come back in September“ ist an der Börse eine häufig vernommene Floskel. Die Formulierung verweist auf die saisonale Anomalie, nach der die Kurse in den ersten 4 Kalendermonaten vermeintlich stark steigen, danach – von Mai bis September – wieder fallen und in den letzten Monaten bis zum Jahresende wieder eine positive Reaktion zeigen. Generell verweisen sog. Kalenderanomalien auf positive oder negative Effekte, die an gewissen Tagen bzw. in manchen Monaten besonders häufig auftreten. Neben Januar-, Halloween-, Momentum- oder auch Winner-Loser-Effekt gibt es zahlreiche weitere Beispiele, die mehr oder weniger Beachtung finden.
Untersuchung durch die Behavioral Finance
Als Behavioral Finance wird die wirtschaftswissenschaftliche Theorie bzw. Forschungsrichtung bezeichnet, welche
- wirtschaftliche Ereignisse mit psychologischen Verhaltensmustern in Verbindung bringt und
- versucht menschliches Handeln zu erklären.
Um bei dieser Theorie zu bleiben, werden Attribute des vollkommenen (Kapital-)Marktes mit Handlungen verglichen, die von der rein wirtschaftlichen Nutzenmaximierung, als dem Verhalten des homo oeconomicus, differieren.
Insbesondere die Entscheidungsfindung am Kapitalmarkt ist so komplex – weil überproportional viele Informationen und Einflüsse in kürzester Zeit verarbeitet werden müssen – dass der Mensch dazu neigt, diese zu vereinfachen, um sie greifbar zu machen. Zudem sind zahlreiche kurs- oder renditebeeinflussende Effekte unbekannt, weshalb Entscheidungen unter Risiko getroffen werden, weil die Folge der eigenen Handlung in der Regel nicht sicher vorhergesehen werden kann. Sogenannte Heuristiken dienen der Vereinfachung dieser unbekannten bzw. nicht abzuschätzenden Faktoren. Überdies ist das menschliche Verhalten immer durch emotionale und eben menschliche Eigenschaften und Gemütszustände wie Angst, Gier, Neid, Hoffnung, Stolz, Selbstüberschätzung und sonstige Neigungen geprägt. Diese, häufig unterbewusst auftretenden Einflussgrößen führen zu Entscheidungen, die individuell für gut befunden werden, jedoch vom neutralen Optimum abweichen.
Menschliche Verhaltensmuster bewusst machen
Die Beeinflussung von Entscheidungen durch die vorgenannten Emotionen etc. ist prinzipiell nicht dramatisch, sondern macht Menschen aus und unterscheidet sie von Maschinen. Wichtig ist jedoch, sich dieser unterbewussten Einflüsse bewusst zu sein und sie sich immer wieder zu vergegenwärtigen. Nicht nur Investitionsentscheidungen an der Börse sind häufig von diesen Faktoren beeinträchtigt, sondern sie betreffen jede Handlung von Menschen im privaten und beruflichen Umfeld. Hier soll nicht prinzipiell gegen Bauchentscheidungen argumentiert werden, die teilweise auch zu guten bzw. in manchen Situationen auch zu besseren Ergebnissen führen, sondern dafür, zuvor möglichst viele Fragestellungen abzuwägen und einen ggf. wissenschaftlich fundierten Entscheidungsprozess heranzuführen.
Spontane oder irrationale Handlungen erscheinen im Nachhinein, zumindest nach einer gewissen Reflektion häufig unausgegoren, da gewisse Themenstellungen unberücksichtigt blieben oder sich erst später herausstellten. Wichtig ist jedoch, sich bei bedeutenden Entscheidungen gewisser selbstbeeinflussender, psychologischer Faktoren bewusst zu sein – insbesondere, wenn die Neigung besteht, in gewisse Entscheidungsmuster zu verfallen, worauf auch die eigene Persönlichkeitsstruktur und die Tagesform Einfluss nehmen können.
Rationale Ziele setzen und sich daran halten
Im gesamten (Wirtschafts-)Leben kommt es häufig vor, dass ausgewählte Ereignisse im Nachgang als vollkommen sinnlos bzw. offensichtlich falsch beurteilt werden. Am Kapitalmarkt existiert bspw. eine sog. Verlustaversion. Sie beschreibt die unterproportionale Wertung nicht realisierter Verluste von Wertpapiergeschäften (sog. Buchverlust) im Gegensatz zu tatsächlich realisierten Verlusten, die sich beispielsweise durch den Verkauf eines Wertpapiers mit hohen finanziellen Einbußen niederschlagen.
Aufgrund dieses bekannten Szenarios halten Anleger verlusttragende Werte häufig deutlich länger und versuchen diese, umgangssprachlich gesagt, auszusitzen. Verluste werden demnach teilweise laufen gelassen und Gewinne hingegen zu häufig durch frühzeitige Veräußerungen begrenzt, obwohl die Zukunftsaussichten der Wertpapiere – rational beurteilt – weiter positiv erscheinen.
Beide Verhaltensmuster ergeben bei objektiver Bewertung keinen Sinn. Ratsam wäre es hingegen bspw. Verluste durch Limite (z. B. Stop-Loss-Orders) zu begrenzen und für die Gewinnrealisierung ebenfalls Kursziele festzulegen, die regelmäßig überprüft werden. Sowohl beim Eintritt des Verlusts als auch des Gewinns, ist es dabei unausweichlich, sich stringent an die zuvor festgelegte Verhaltensweise zu halten und diese beim Eintritt eines entsprechenden Ereignisses nicht doch wieder zu überdenken und entgegen der Rationalität zu handeln.
Selbstdisziplin üben
Soziale Einflüsse machen Menschen aus, führen im Wirtschaftsleben jedoch teilweise zu – im Nachhinein – offensichtlichen Abweichungen vom Optimum, die jedem Akteur vor oder während einer Entscheidungsfindung zumindest bewusst sein sollten, um aktiv (gegen)zusteuern.
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