25 Jahre Employer Branding mit Höhen und Tiefen

Das Jahr 1996 hat zwei neue Trends hervorgebracht, die die Arbeitswelt bis heute prägen: Das Internet wird zum Massenmedium und Tim Ambler und Simon Barrow veröffentlichen im Journal of Brand Management eine Studie, die heute als Geburtsstunde des Employer Brandings gilt. Eine Zeitreise.

Der Siegeszug des Internets ist unbestritten. Die Historie der Arbeitgebermarkenbildung hingegen liest sich weniger als lineare Erfolgsgeschichte. Das fängt damit an, dass den wenigsten bewusst sein dürfte, dass diese Idee schon ein Vierteljahrhundert alt ist. Und endet damit, dass sich bis heute unter dem 25 Jahre alten Begriff ein diffuses Sammelsurium unterschiedlicher Beratungskonzepte tummelt.

Employer Branding: der Ansatz vor 25 Jahren

Dabei war der Ansatz der Marketingspezialisten Tim Ambler und Simon Barrow so einfach wie genial: Starke Arbeitgebermarken entstehen, wenn sich HR von Marketing inspirieren lässt und auf die Aspekte Identität und Organisationskultur aufsetzt. Damit sind sie 1996 ihrer Zeit weit voraus, treffen aber auf einige Vorreiter, die schon damals ahnen, dass sie nur so ihren Bedarf an Fachkräften angesichts des rasanten technologischen Fortschritts langfristig decken können.

Eine McKinsey-Studie prägt den Begriff "War for Talents" für die prekäre Lage, in der sich vor allem Technologieunternehmen befinden. Derweil erreicht die Arbeitslosigkeit in Deutschland 1997 einen Rekordwert von 11,4 Prozent. Erst die Internetbranche mit ihrem Boom ab dem Jahrtausendwechsel rückt Talente wieder in den Fokus. Doch was die Startup-Szene aus Amblers und Barrows Idee macht, hat wenig mit Employer Branding zu tun. Tischkicker und After-Work-Partys sollen über echte Differenzierung und Identifikationsangebote hinwegtäuschen.

Missverstanden im Mainstream

Einem breiten Publikum im Management wird der Begriff "Employer Branding" bekannt durch Michael D. Bekins, CEO von Korn/Ferry International, der 2001 auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vor Entscheidern aus aller Welt spricht. Die sich zuspitzende Arbeitsmarktlage führt Employer Branding im Mainstream ein. Zu dieser Zeit gründeten wir die Deutsche Employer Branding Akademie (DEBA), die sich auf das Beratungsfeld Arbeitgebermarkenbildung spezialisiert.

Doch obwohl wir mit unserer deutschen Employer-Branding-Definition und zahllosen Fachbeiträgen das neue Managementkonzept vorstellen und vertiefen, bewegt sich fachlich nicht viel. In der Praxis dominieren teure Kampagnen mit bunten Bildern, die über einfache Personalwerbung meist nicht hinausgehen.

Employer Branding: Sparzwang in der Finanzkrise

Die 2007 beginnende weltweite Finanzkrise setzt dem Geldregen für Agenturen erst einmal ein Ende. Unter Sparzwang richten sich Employer-Branding-Initiativen nach innen und setzen auf Mitarbeiterbindung statt Rekrutierung. Auf die Wirtschaftskrise folgt dann wieder eine Sturm- und Drangzeit. Employer Branding etabliert sich endgültig und bringt unweigerlich auch Blüten hervor, die anderen als abschreckendes Beispiel dienen und zur ersten Verleihung des Negativpreises "Goldene Runkelrübe" im Jahr 2013 inspirieren.

Im gleichen Jahr treten die ersten Employer Brand Manager und Managerinnen ihren Zertifikatslehrgang an. Doch die Kluft zwischen denen, die von Anfang an verstanden haben, welche Potenziale Employer Branding freisetzen kann, und denen, die nicht über Personalmarketing und die Präsentation von Hygienefaktoren in ihren Employer Value Propositions hinausgehen, vertieft sich.

Von "Gain" zu "Pain"

Mittlerweile ist der "War for Talents" tatsächlich ein Kampf um Köpfe geworden, der dazu führt, dass Unternehmen Marktanteile verlieren, weil sie Aufträge mangels Kapazität nicht übernehmen können. Selbst die stagnierende Nachfrage nach Fachkräften infolge der Coronakrise lindert dies nur kurzfristig. Darüber hinaus geht die Generation der Babyboomer vermehrt in den Ruhestand.

Deshalb ist der Bedarf an Arbeitgebermarkenbildung heute größer denn je. Die meisten Unternehmen, die sich derzeit an das Thema wagen, stehen allerdings unter enormem Leidensdruck. Hier muss Arbeitgebermarkenbildung "Top down" verordnet werden, statt "Bottom up" gewachsen zu sein. Der angestrebte Wettbewerbsvorteil durch Employer Branding in den Gründerjahren wandelt sich in eine drängende Notwendigkeit und anstrengende Pflichtübung.

Die Arbeitgebermarke als Teil eines großen Ganzen

Im Jubiläumsjahr 2021 steht der Markt am Scheideweg: Spreu oder Weizen, Candy Crush oder Investition in Identität. Nicht nur der Markt, auch die Expertenszene teilt sich in zwei Lager: Auf der einen Seite befinden sich jene, die Employer Branding vorschnell für tot erklären, aber tatsächlich nie bis zum eigentlichen Kern vorgedrungen sind – nämlich der Gestaltung einer nachhaltigen Identität und Unternehmenskultur. Auf der anderen Seite gibt es eine (deutlich kleinere) Avantgarde der Unternehmen, die weiterdenkt und die Arbeitgebermarke im Zusammenwirken mit Purpose als Teil eines großen Ganzen sieht, als "Missing Link" zwischen dem "Was" und dem "Warum" in Simon Sineks Leadership-Konzept "The Golden Circle".

Und so gelingt endlich, was Ambler und Barrow vor 25 Jahren angestoßen haben: Employer Branding zum Verstärker und Weichensteller einer Transformation hin zu einer sinnstiftend gestalteten Arbeitswelt zu machen. In diesem Sinn: Happy Birthday, my dear Employer Branding.


Zum Autor: Der Markenexperte Wolf Reiner Kriegler zählt zu den Pionieren des Employer Brandings im deutschsprachigen Raum. 2006 gründete er die Deutsche Employer Branding Akademie (DEBA). Bei Haufe veröffentlichte er 2012 das "Praxishandbuch Employer Branding".

Um die Reise durch 25 Jahre Employer Branding greifbarer zu machen, sind auf der Webseite der DEBA markante Stationen in einer "Historie des Employer Brandings" detailliert aufbereitet.


Das könnte Sie auch interessieren:

Personalmagazin digital: Marketing trifft Wirklichkeit

Candidate Experience: Was HR vom Marketing lernen kann

Die zehn größten Fehler beim Employer Branding


Schlagworte zum Thema:  Employer Branding, Arbeitgeber, Marketing