Studie zu den Veränderungen im Recruiting in der Coronakrise

Virtuelle Jobinterviews sind bei vielen Unternehmen zum Standard geworden, aber beliebt sind sie nicht. Welche Veränderungen das Recruiting seit 2020 erfahren hat und wie Deutschland im Ländervergleich dasteht, hat eine Studie ermittelt. Sie zeigt auch: Die meisten Firmen suchen wieder verstärkt Personal.

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Arbeitswelt sind vielfältig und in allen Branchen sowie allen Phasen des HR-Lifecycles zu beobachten. Abstandsgebote haben das Recruiting beinahe vollständig virtualisiert. Onboarding-Prozesse finden ebenso remote statt wie Schulungen und Teambuilding-Maßnahmen. Home- und Remote Office haben den Arbeitsalltag grundlegend verändert.

Dazu kommen Verschiebungen im Arbeitsmarkt. Auch wenn dank der Kurzarbeit viele Jobs gerettet werden konnten, wurde der Stellenmarkt stark beeinflusst. Während der Dienstleistungssektor noch immer unter den Einschränkungen leidet, herrscht in anderen Bereichen, die trotz oder sogar wegen Corona bestehen oder gar wachsen konnten, Fachkräftemangel. Wie genau sich die vergangenen Monate auf das Recruiting ausgewirkt haben, wird im aktuellen HR Report "Monster Insights 2021" der Jobbörse Monster deutlich ( zum Report der Jobbörse Monster gelangen Sie hier).

Studie zeigt: Arbeitsmarkt nimmt wieder Fahrt auf

Dank der umfangreichen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung konnte 2020 der Arbeitsmarkt trotz Corona weitgehend stabilisiert werden. Das spiegelt sich auch in der Einschätzung der Arbeitnehmenden wider: 87 Prozent der für die Studie befragten Deutschen fühlen sich in ihrem derzeitigen Arbeitsplatz sicher. Auch Unternehmen blicken optimistisch in die nahe Zukunft: 81 Prozent der befragten Recruiterinnen und Recruiter wollen 2021 Stellen erneut besetzen oder gar neu geschaffene Stellen ausschreiben. Nur 18 Prozent der Unternehmen planen für dieses Jahr einen Einstellungsstopp. Ein Blick auf das Jobportal Monster.de zeigt beispielhaft: Im Vergleich zum Juli 2020 waren im April 2021 doppelt so viele täglich verfügbare Anzeigen auf der Plattform – ein deutliches Zeichen, dass der Arbeitsmarkt wieder Fahrt aufnimmt.

Der Fachkräftemangel bereitet den meisten Unternehmen derzeit wenig Sorgen: 57 Prozent der befragten Firmen zeigen sich zuversichtlich, die richtigen Kandidatinnen und Kandidaten für ihre offenen Stellen zu finden. 32 Prozent sind sogar sehr zuversichtlich und lediglich elf Prozent blicken eher pessimistisch auf das Recruiting-Jahr 2021.

Virtuelles Recruiting hat seine Grenzen

Die vergangenen Monate haben trotz des erzwungenen Anstiegs an virtuell geführten Interviews wenig an der grundsätzlichen Vorstellung optimaler Recruiting-Prozesse geändert. Traditionelle Instrumente wie Lebensläufe und das Führen von Bewerbungsgesprächen haben noch immer einen hohen Stellenwert.

Interessant ist auch, dass im internationalen Vergleich vor allem die deutschen Bewerberinnen und Bewerber großen Wert auf ein persönliches Vorstellungsgespräch legen, um ein Gefühl für den potenziellen Arbeitgeber zu bekommen. Nur rund zwei Drittel sind der Ansicht, dass sie bei virtuellen Jobinterviews die Werte und Kultur eines Unternehmens richtig erfassen können.

Die Recruiterinnen und Recruiter stehen vor einer vergleichbaren Herausforderung: 75 Prozent nennen das persönliche Interview als den entscheidenden Moment, in dem sie sich für oder gegen potenzielle neue Teammitglieder entscheiden. Die bisherige Berufserfahrung und der Lebenslauf kommen nur mit 48 beziehungsweise 47 Prozent zum Tragen. Der persönliche Eindruck ist das A und O. So finden es 57 Prozent schwierig, in virtuellen Treffen einzuschätzen, ob Bewerbende zum Unternehmen passen oder nicht. 40 Prozent der Unternehmen fürchten – bedingt durch die weiter bestehenden Einschränkungen –, dass die Bewertung von Kandidatinnen und Kandidaten während des Vorstellungsgesprächs 2021 schwieriger sein wird als früher.

Virtuelle Jobinterviews stellen für die Recruiterinnen und Recruiter in Deutschland also keine Erleichterung dar. Daher wundert es nicht, dass sich die deutschen Unternehmen verglichen mit anderen Ländern im virtuellen Recruiting eher auf den hinteren Rängen befinden: Hierzulande geben nur 64 Prozent der Unternehmen an, dass ihr Recruiting mindestens zur Hälfte virtuell ist. Bei gerade einmal fünf Prozent ist der Recruiting- und Onboarding-Prozess vollständig virtualisiert. Unternehmen bewerten virtuelle Recruiting-Lösungen und Tools für das virtuelle Arbeiten und Mitarbeiterengagement zwar vorwiegend positiv, sehen aber noch Potenzial für Verbesserungen.

Wunsch nach Flexibilität wird bleiben

Ein klareres Bild des Wandels zeichnet sich bei den Erwartungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die Unternehmen ab. Der Trend zu örtlich flexiblerem Arbeiten scheint unumkehrbar: Unter den häufigsten Wünschen, die Beschäftigte für die Zeit nach Covid-19 an Arbeitgeber haben, liegen flexible Arbeitszeiten auf Platz eins (38 Prozent), gefolgt von Entgeltsicherung (33 Prozent) und soliden Gesundheitsrichtlinien (25 Prozent). Hoch im Kurs liegen auch eine transparente Kommunikation (25 Prozent) und die Schulung aller Mitarbeitenden zu neuen Arbeitsformen (24 Prozent).

Viele Unternehmen reagieren auf die geänderten Arbeitnehmerwünsche. Die Frage ist jedoch, wie die weitere Zukunft aussieht: 45 Prozent der Unternehmen glauben, dass diese Anpassungen tatsächlich dauerhaft sind und bestehen bleiben werden, während 42 Prozent sagen, dass sie nur eine vorübergehende, pandemiebedingte Erscheinung sind.

Arbeitgeber wünschen sich verlässliches Personal

Während die Beschäftigten vor allem Flexibilität und Sicherheit suchen, ist auch auf Unternehmensseite der Wunsch nach verlässlichem Personal gestiegen: Gefragt, welchen Qualifikationen und Fähigkeiten sie bei Bewerbenden besonders große Bedeutung beimessen, gaben 43 Prozent der Firmen Verlässlichkeit an. Auf Rang zwei liegt Teamfähigkeit (33 Prozent) und auf Rang drei Flexibilität (28 Prozent), gefolgt von Engagement auf Rang vier (27 Prozent).

Gleichzeitig zeigen die Arbeitgeber mehr Bereitschaft, vermeintliche Schwachpunkte von Bewerbenden zu tolerieren. So findet ein Drittel der befragten Recruiterinnen und Recruiter, dass Lücken im Lebenslauf wie längere Phasen der Arbeitslosigkeit kein K.O.-Kriterium mehr sind. 45 Prozent bewerten viele Jobwechsel nicht mehr als einen unbedingten Minuspunkt. Und der Siegeszug von Remote Work sorgt dafür, dass 47 Prozent es nicht mehr schlimm finden, wenn potenzielle zukünftige Teammitglieder außerhalb des Firmenstandorts wohnen.


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