Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz der Fluggesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Befördert eine Fluggesellschaft einen Fluggast aus Kulanz, obgleich wegen ihrer Insolvenz hierauf kein Anspruch besteht, sind Ansprüche aus der EU-Fluggastrechte-VO ausgeschlossen.

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 18.08.2021; Aktenzeichen 28 O 43/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. August 2021 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das vorliegende sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.030,00 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Fluggesellschaft auf die hälftige Erstattung von Beförderungsentgelt, Ersatz von Beherbergungskosten sowie einen Ausgleichsanspruch auf Grund einer Flugverspätung in Anspruch.

Der Kläger buchte bei der Beklagten am 8.4.2019 eine Flugreise von Stadt1 auf die Insel1. Der Hinflug sollte am 3.1.2020 und der Rückflug am 4.4.2020 erfolgen.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 wurde am 1.12.2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet.

Aus Kulanz und um den guten Ruf der Fluggesellschaft zu wahren, entschloss sich die Beklagte, Passagiere mit vor der Insolvenzantragstellung gebuchten Tickets gleichwohl zu befördern.

Der Kläger wurde auf dem Hinflug befördert. Allerdings musste der am 3.1.2020 begonnene Flug auf Grund eines technischen Defekt abgebrochen werden. Nach erneuter Landung in Stadt1 wurde der Flug dann erst am 4.1.2020 um 21.50 Uhr durchgeführt.

Der Rückflug wurde von der Beklagten auf Grund der Covid-19-Pandemie abgesagt.

Am 26. und 28.3.20 führte die Beklagte "Rückholflüge" im Auftrag des Auswärtigen Amts durch, mit denen der Kläger hätte befördert werden können.

Sodann erfolgten diverse Umbuchungen des klägerisches Fluges, sämtliche Flüge wurden jedoch abgesagt. Zuletzt kündigte die Beklagte einen Rückflug am 8.10.2020 an. Der Kläger organisierte eine alternative Beförderung, die am 1.8.2020 durchgeführt wurde.

Der Kläger hat behauptet, er habe im Zeitraum vom 4.4. bis zum 1.8.2020 in einem Hotel auf der Insel1 gewohnt, wofür Hotelkosten in Höhe von 4.000 EUR entstanden seien.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte dazu verpflichtet gewesen sei, eine unentgeltliche Hotelunterbringung zu gewähren. Ebenso bestehe ein Anspruch auf Erstattung der hälftigen Flugkosten wegen der Nicht-Inanspruchnahme und der fortlaufenden Verschiebungen des Rückflugs. Auf Grund der Verzögerung des Hinflugs stehe ihm ein Ausgleichsanspruch gem. Art. 7 Fluggastrechte-VO zu.

Weiter hat der Kläger die Auffassung vertreten, weil die Stornierung auf Grund der Covid-19- Pandemie und nicht im Zusammenhang mit einer Insolvenz erfolgt sei, habe sich der Beförderungsanspruch unabhängig von § 45 InsO in einen Erstattungsanspruch gewandelt.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 5.030,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.12.2020 zu bezahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtlich entstandene Anwaltsgebühren in Höhe von EUR 571,44 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um eine Insolvenzforderung handele, die nicht klageweise geltend gemacht werden könne, sondern nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zur Insolvenztabelle anzumelden sei. Die Beklagte sei bereit gewesen, den Kläger de facto unentgeltlich zu befördern, ein Anspruch hierauf habe nicht bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 130/131 d.A.) sowie die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Urteil vom 16.8.2021, auf das im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. In seinen Entscheidungsgründen vertritt das Landgericht die Auffassung, dass die Klage auf Grund des am 1.12.2019 eröffneten Insolvenzverfahrens unzulässig sei.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliere der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO). Eine gleichwohl gegen den Schuldner erhobene Klage sei unzulässig, weil ihm die passive Prozessführungsbefugnis und dem Gläubiger, der seine Forderung nur noch durch Anmeldung im Insolvenzverfahren realisieren könne (§ 87 InsO), das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe sich daher der auf Beförderung gerichtete Anspruch des Klägers gem. § 45 InsO in eine Geldforderung umgewandelt, die gem. §§ 38, 174 InsO zur Insolvenztabelle anzumelden gewesen sei. Ein Anspruch auf Beförderung habe ...

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