Leihmutterschaft als sittenwidrige Umgehung deutschen Rechts

Einem Ehepaar wurde die Anerkennung als rechtliche Eltern zweier 2011 in den USA von einer Leihmutter geborener Zwillinge verweigert. Eine solche Anerkennung ist laut OLG Braunschweig mit tragenden Grundsätzen des deutschen Rechts nicht vereinbar. Die strikte Entscheidung ist brisant, da der BGH 2014 in einem ähnlich, aber nicht völlig gleich gelagerten Fall anders entschied und sich stärker am Kindeswohl orientierte.

In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte ein deutsches Ehepaar mit einer Leihmutter in den USA einen Vertrag geschlossen, wonach eine in Colorado lebende Frau ein Kind für das deutsche Paar als Leihmutter austragen sollte.

Schwangerschaft als Geschäft: Mittlere sechsstellige Auftragssumme

Vertraglich war unter Einschaltung einer Vermittlungsagentur die Zahlung einer mittleren sechsstelligen Summe vereinbart.

Auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung hatte ein Gericht in Colorado noch vor der Geburt der auf diese Weise gezeugten Zwillingskinder beschlossen, das deutsche Ehepaar als Eltern anzuerkennen.

Demgemäß wurden diese auch als Eltern in der amerikanischen Geburtsurkunde der Kinder ausgewiesen. Seit der Geburt der Kinder lebt das deutsche Ehepaar mit diesen in Deutschland.

Deutschen Gerichte lehnen Anerkennung als Eltern ab

Vor dem AG Braunschweig beantragte das Ehepaar die Anerkennung als rechtliche Eltern der beiden Zwillinge. Das AG lehnte die Anerkennung ab. Mit der Beschwerde gegen den Ablehnungsbescheid befasste sich anschließend das OLG. Wie das AG war das OLG der Auffassung,

  • dass die Anerkennung des Ehepaars als Eltern in Deutschland mit wesentlichen Grundsätzen des nationalen Rechts nicht vereinbar sei.
  • Nach deutschem Recht könne eine Elternschaft nur auf Abstammung und Adoption begründet werden,
  • eine Elternschaft auf vertraglicher Grundlage sei nach deutschem Recht nicht vorgesehen. 

Schutz der Kinder und Mütter vor kommerziellen Interessen

Der deutsche Gesetzgeber habe in den nationalen Rechtsvorschriften wie dem Embryonenschutzgesetz und dem Adoptionsvermittlungsgesetz bewusst eine Elternschaft aufgrund kommerzieller vertraglicher Vereinbarung ausgeschlossen.

  • Diese bewusste Grenzziehung für die Reproduktionsmedizin habe der Gesetzgeber zum Schutz der Frauen sowie der gezeugten Kinder vor den Gefahren kommerzieller Geburtenvereinbarungen getroffen.
  • Der Gesetzgeber habe damit den Schutz der Frauen und der Kinder über die Wünsche von Auftraggebern nach Elternschaft gestellt.
  • Die deutsche Gesetzgebung entspreche der Wertentscheidung des Grundgesetzes zu Gunsten der Menschenwürde, des Lebens und der Wahrung des Kindeswohls, denen eine kommerzielle Leihmutterschaft nicht gerecht werde. 

Umgehung des deutschen Rechts ist unannehmbar

Das OLG beanstandete darüber hinaus, dass das US-Gericht in Colorado die Anerkennung der Elternschaft des deutschen Paares noch vor der Geburt und ohne Anhörung der Leihmutter und ohne Berücksichtigung deren möglichen psychischen Bindungen an die Zwillinge getroffen habe.

Auch dies widerspreche den Grundsätzen der deutschen gesetzgeberischen Werteentscheidungen. Darüber hinaus könne nicht geduldet werden, dass die nationalen Gesetze durch Ausnutzung der in anderen Rechtsordnungen vorgesehenen weitergehenden Möglichkeiten umgangen würden und damit die gesetzgeberische Entscheidung zu Gunsten der Menschenwürde konterkariert würde.

BGH stellt Kindeswohl in den Vordergrund

Das OLG verkannte nicht, dass die Entscheidung nicht ohne weiteres in Einklang mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2014 steht, in der dieser die Eintragung eines homosexuellen Paares in das Geburtenregister verfügt hat. Der damaligen BGH-Entscheidung lag der Fall eines homosexuellen Paares zu Grunde, das ebenfalls in den USA ein Kind im Wege der Leihmutterschaft hatte austragen lassen.

  • In seiner Entscheidung hatte der BGH auf die UN-Kinderrechtskonvention hingewiesen, wonach die Elternschaft im Hinblick auf das nach der UN-Kinderrechtekonvention vorrangige Kindeswohl nicht ohne weiteres abgelehnt werden dürfe.
  • Nach Auffassung des BGH sind sogenannte „hinkende Verwandtschaftsverhältnisse“ zu vermeiden, in denen einem Kind die Leihmutter als rechtliche Mutter zugeordnet würde, die das Kind möglicherweise gar nicht kennt und die an dem Kind in keiner Weise interessiert ist.
  • Solche dem Kindeswohl zuwiderlaufenden Ergebnisse seien nach der UN-Kinderrechtskonvention zu vermeiden.
  • Etwas anderes darf nach Auffassung des BGH nur dann gelten, wenn die Anerkennung einer rechtlichen Elternschaft zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen „ordre public“ unvereinbar ist (BGH, Beschluss v. 10.4.2014, XII ZB 463/13). 

Grundsatzentscheidung des BGH wäre wünschenswert

In seiner Entscheidung hatte der BGH ausdrücklich auf die Besonderheit des Falles hingewiesen, dass einer der homosexuellen Partner der genetische Vater des Kindes war.

Offen gelassen hatte der BGH demgegenüber, wie zu verfahren sei, wenn keiner der Wunscheltern mit dem Kind verwandt ist oder die Leihmutter auch die biologische Mutter des Kindes ist.

Vor diesem Hintergrund hat das OLG die Revision zum BGH ausdrücklich zugelassen. Ob das deutsche Ehepaar von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, bleibt abzuwarten. Die Frage, ob der BGH die damaligen Grundsätze auch auf diesen Fall anwenden würde, wäre nicht ohne Spannung und von hoher Bedeutung für künftige Fälle.

(OLG Braunschweig, Urteil v. 12.4.2017, 1 UF 83/13)

Im Hinblick auf das Wohl der Zwillinge hat das OLG vorsorglich darauf hingewiesen, dass sich für das Zusammenleben der Zwillinge mit ihren deutschen „Eltern“ zunächst nichts ändert, da das deutsche Ehepaar die Vormundschaft über die Kinder habe.

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