Vorsicht vor Bezifferung des Unterhaltsanspruchs vor Auskunftserteilung
Aber auch diese Ausnahme ist mit Fallstricken versehen, die für den Unterhaltsberechtigten teuer werden können. Das zeigte sich in folgendem Fall: Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab August 2009.
Unterhalt zu früh, weil noch unwissend, beziffert
Die Antragstellerin hatte den Antragsgegner zunächst aufgefordert, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Noch bevor diese Auskunft erteilt war, bezifferte sie ihren monatlichen Unterhaltsanspruch auf 310,50 €.
Nach Erteilung der Auskunft forderte die Antragstellerin für den Zeitraum August 2009 bis Juli 2010 rückwirkend einen auf monatlich 1.254,71 erhöhten Unterhalt zuzüglich einem Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 366,- €.
Das OLG gewährte der Antragstellerin eine rückwirkende Unterhaltserhöhung sowie einen zusätzlichen Altersvorsorgeunterhalt. U.a. wegen der Frage der Zulässigkeit dieser rückwirkenden Aufstockung des Unterhalts ließ der Senat die Rechtsbeschwerde zum BGH zu.
Zur Zulässigkeit rückwirkender Unterhaltserhöhung nach erteilter Auskunft
Der BGH entschied diese Frage auf der Grundlage der §§ 1585 Abs. 2, 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiernach kann der Unterhaltsberechtigte Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Unterhaltsanspruchs nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Streitig war bisher, inwieweit ein Auskunftsverlangen die Tür zur rückwirkenden Erhöhung eines vor Auskunftserteilung bezifferten Unterhaltsanspruchs offen hält.
BGH stellt Schutzbedürfnis des Unterhaltspflichtigen in den Vordergrund
Der BGH hat diese Tür nun geschlossen. Nach Auffassung des Senats lässt der Gesetzeswortlaut eine eindeutige Beantwortung der Frage nicht zu. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes soll aber der Unterhaltsverpflichtete davor geschützt werden, im Nachhinein mit Unterhaltsforderungen überzogen zu werden, mit denen er nicht rechnen musste und auf die er sich finanziell nicht einrichten konnte (BGH, Urteil v. 22.11.2006, XII ZR 24/04). § 1613 BGB sei insoweit einschränkend auszulegen, als der Schuldner von dem Risiko unkalkulierbar anwachsender Rückstände zu befreien sei. Auch im Falle einer noch nicht erteilten Einkommensauskunft, müsse der Schuldner nicht damit rechen, dass ein bereits bezifferter Unterhaltsbetrag nachträglich rückwirkend erhöht werden könne.
Keine Besonderheiten beim Altersvorsorgeunterhalt
Im Ergebnis nichts anders gilt nach Auffassung des BGH-Senats für einen zusätzlichen Altersvorsorgeunterhalt. Dieser sei nämlich kein eigener Unterhaltsanspruch, sondern Teil eines einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs. Werde ein Unterhaltsanspruch beziffert, so umfasse die Bezifferung den gesamten Lebensbedarf einschließlich dem der Altersvorsorge. Auch insoweit sei rückwirkend daher die Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt nicht zulässig. Wegen weiterer, noch zu klärender Fragen hat der BGH die Sache an das Beschwerdegericht zur weiteren Entscheidung zurück verwiesen.
(BGH, Beschluss v. 07.11.2012, X II ZB 229/11).
Hinweis: In der Praxis verstreicht von der ersten Aufforderung bis zur Erteilung einer Einkommensauskunft oft enorm viel Zeit. Deshalb beziffern Anwälte häufig schon vor Auskunftserteilung den Unterhaltsanspruch, um dem Mandanten so schneller zu Zahlungseingängen zu verhelfen. In diesen Fällen sollte unbedingt mit der Bezifferung ein ausdrücklicher Vorbehalt dahingehend erklärt werden, dass die Bezifferung nur vorläufig erfolgt und eine nachträgliche, rückwirkende Erhöhung vorbehalten wird. In diesem Fall ist der Unerhaltsverpflichtete dann auch nach der BGH-Entscheidung nicht schutzwürdig.
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