Urteil zur Zulässigkeit von Negativzinsen für Sparer erwartet

Sind, in Anbetracht der aktuellen Zinssituation, Negativzinsen auf Sparguthaben zulässig? Für Januar 2018 wird, auf eine Unterlassungklage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hin, mit einem für Bankkunden wichtigen Urteil vom LG Tübingen gerechnet. Davon wird ein Weichenstellung zur Zulässigkeit von Negativzinsen erwartet.

Anlass des Rechtsstreits zwischen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und der Volksbank Reutlingen war ein Preisaushang der Volksbank Reutlingen. Dieser wies auf mögliche Strafzinsen in Höhe von 0,5 % auf Tagesgeld ab 10.000 Euro sowie auf Festgeldkonten hin.

Negativzinsen sind ein Novum

Negativzinsen bedeuten eine Belastung für Guthaben und sind ein Dammbruch in der Geschichte der Sparguthaben.

  • In der Historie der Banken und Sparkassen wurden Guthaben bisher stets mit einer Verzinsung belohnt,
  • deren Höhe in den vergangenen Jahren aber peu à peu geschmolzen ist.

Infolge der Niedrigzinspolitik der EZB erheben einige Banken inzwischen einen Zins auf Geldanlagen, d.h. der Sparer verdient an seinem Guthaben nichts mehr, sondern er muss die Bank dafür entlohnen, dass sie sein Geld aufbewahrt.

Die meisten Banken erheben den Negativzins aber nur bei größeren Geldanlagen, manche ab 100.000 Euro andere erst ab 1 Million.

Verbraucherzentrale mahnt Volksbank ab

Wegen ihres Preisaushangs erhielt die Volksbank Reutlingen von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ein Abmahnschreiben.

  • Die Volksbank reagierte und strich den Hinweis auf mögliche Negativzinsen in ihrem Preisaushang.
  • Zur Abgabe der von der Verbraucherzentrale geforderten Unterlassungserklärung erklärte sich die Volksbank jedoch nicht bereit.
  • Die allgemeine Zinsentwicklung ist nach Auffassung der Volksbank zur Zeit so unübersichtlich, dass sie sich nicht für die Zukunft verpflichten könne, auf die Erhebung von Negativzinsen grundsätzlich zu verzichten. 

Der Gesetzgeber hat Negativzinsen nicht vorgesehen

Hierauf hat die Verbraucherzentrale eine Unterlassungsklage eingereicht, wonach es der Volksbank untersagt werden soll, gegenüber Sparern zukünftig negative Zinsen zu erheben.

Nach Auffassung der Verbraucherzentrale ist die Erhebung von Negativzinsen mit dem Leitbild des Darlehensvertrages gemäß § 488 BGB nicht zu vereinbaren.
  • Nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Darlehensnehmer verpflichtet, die nach dem Darlehensvertrag geschuldeten Zinsen zu zahlen.
  • Umgekehrt kennt das Gesetz keine Verpflichtung des Darlehensgebers zu einer irgendwie gearteten Zinszahlung.
  • Daraus schließen die Verbraucherschützer, dass die Erhebung von Negativzinsen dem gesetzlichen Leitbild des Darlehens widerspricht
  • und die Erhebung damit sowohl für Alt- als auch für Neuverträge grundsätzlich unzulässig sei.

Die Banken sehen sich selbst in der Zinsfalle

Die Volksbank argumentiert, dass auch sie selbst für das von ihr virtuell bei einer Notenbank eingelagerte Geld mit Negativzinsen belastet würde. Gemäß ihren AGB akzeptiere der Kunde bei Abschluss eines Vertrages variable Zinssätze. Diese könnten eben auch in den negativen Bereich gehen.

LG differenziert zwischen Alt- und Neuverträgen

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 8.12.2017 zu erkennen gegeben, dass es die Sichtweise der Verbraucherschützer lediglich für Altverträge für die richtige hält, nicht jedoch für Neuverträge.

  • Entscheidend ist für das Gericht, zu welchem Zeitpunkt ein Kunde auf die Möglichkeit der Erhebung von Negativzinsen hingewiesen wurde.
  • Erfolge ein solcher Hinweis vor Abschluss eines Sparvertrages, so sei die Erhebung von Negativzinsen zulässig, da in diesem Fall Negativzinsen für den Kunden nicht überraschend seien.
  • Allerdings können nach der vorläufig geäußerten Auffassung des Gerichts Altkunden nicht mit negativen Zinsen belastet werden, da diese bei Abschluss ihrer Verträge nicht mit einer solchen Belastung rechnen mussten. 

Flächendeckender Negativzins eher unwahrscheinlich

Niels Neuhauser von der Verbraucherzentrale ist sicher, dass die Klage schon jetzt Wirkung gezeigt hat. Viele Banken hätten ihre Entscheidung über die Erhebung von negativen Zinsen im Hinblick auf den laufenden Prozess zurückgestellt. Von Kennern der Branche wird eine flächendeckende Einführung von Negativzinsen für Privatkunden als wenig wahrscheinlich angesehen, dies sowohl aus Gründen des Wettbewerbs und aus der nicht unberechtigten Angst, dass Sparer dann massenhaft Gelder abziehen könnten.

Negativzinsen steuerlich nicht einmal absetzbar

Interessant ist, dass Negativzinsen vom Finanzamt in der Regel nicht einmal als Verlust anerkannt werden, obwohl positive Zinsen als Erträge zu versteuern sind.

  • Die „Strafzinsen“ werden nach einem Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums als „Verwahr- und Einlagegebühren“ qualifiziert,
  • die bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten vom Sparerpauschbetrag gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 erfasst und damit nicht gesondert absetzbar sind. 

Urteil wird Anfang nächsten Jahres erwartet

Ein Urteil will das LG am 26.1.2018 verkünden. Der Entscheidung werden gute Chancen eingeräumt, später beim BGH zu landen.

(LG Tübingen,  4 O 187/17).

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Hintergrund:

Der extremen Niedrig- oder „Nicht-Zins“, der seit längerem den Geldmarkt beherrscht, führt dazu, das Banken immer neue Wege suchen, hochverzinsliche Anlagen loszuwerden oder ihrem Zinsdilemma anderweitig zu entkommen.

 

Schlagworte zum Thema:  Zinsen, Sparbuch, Verbraucherschutz