Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags bei Unternehmenssanierung
Wird ein Unternehmen durch einen Schuldenerlass gerettet, würden die „regulären“ steuerlichen Folgen dieser Tat die Sanierungsbemühungen untergraben. Denn ein Schuldenerlass führt zu einem Sanierungsgewinn (Erhöhung des Betriebsvermögens), der grundsätzlich der Besteuerung unterliegt. Damit der Steuerzugriff einer sinnvollen Sanierung nicht im Wege steht, können entsprechende Gewinne nach dem sog. Sanierungserlass des BMF unbesteuert bleiben (BMF, Schreiben v. 27.3.2003, BStBl 2003 I. S. 240). Der Erlass sieht für Sanierungsgewinne im Kern eine vorgezogene Verlustverrechnung, sowie die Steuerstundung und den Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen vor. Anknüpfend an diese Regelungen stellt die OFD Magdeburg mit Verfügung vom 24.11.2011 dar, welche Grundsätze daraus für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags folgen.
Abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags
a) „Erste Billigkeitsregelung“
Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne steuererhöhende Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung unberücksichtigt bleiben, wenn die Steuererhebung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Diese abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gilt bei der Festsetzung von Gewerbesteuermessbeträgen nur, soweit die Bundesregierung oder eine oberste Landesfinanzbehörde hierzu in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift entsprechende Richtlinien aufgestellt hat (§ 184 Abs. 2 Satz 1 AO). Die OFD weist darauf hin, dass im Sanierungserlass des BMF jedoch keine Befugnisse zur abweichenden Festsetzung vorgesehen sind.
b) „Zweite Billigkeitsregelung“
Nach § 163 Satz 2 AO können steuererhöhende Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung (für Steuern vom Einkommen) erst zu einem späteren Zeitpunkt und steuermindernde Besteuerungsgrundlagen zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtigt werden, sofern der Steuerpflichtige zustimmt. Eine solche Maßnahme wirkt sich, soweit sie gewerbliche Einkünfte betrifft, auch auf den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags aus (§ 184 Abs. 2 Satz 2 AO). Die OFD weist darauf hin, dass eine abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags nach dieser Billigkeitsregelung und dem Sanierungserlass nur in Ausnahmefällen denkbar ist, z. B. wenn Verluste ungeachtet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen sind. Die im Sanierungserlass genannten Verlustverrechnungsbeschränkungen sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags jedoch nur sehr eingeschränkt anwendbar.
Der „Durchgriff“ auf die Gewerbesteuer ist nur denkbar, wenn die eingeschränkte Verlustverrechnung unselbstständige Einkunftsteile ein und desselben Gewerbebetriebs erfasst und zugleich keine gewerbesteuerlichen Vorschriften der Verlustberücksichtigung entgegenstehen. Nur in diesen Ausnahmefällen wirkt sich die vorzeitige Verlustberücksichtigung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer auch mindernd auf den Gewerbeertrag und somit den Gewerbesteuermessbetrag aus.
Information an die Gemeinde
Die OFD weist darauf hin, dass die Betriebsfinanzämter den zuständigen Gemeinden zusammen mit dem Gewerbesteuermessbescheid folgende Daten mitteilen müssen:
die Grundlagen einer möglicherweise abweichenden Festsetzung des Gewerbeertrags
die Höhe des Sanierungsgewinns
die anteilige Verteilung des Messbetrags auf die einzelnen zerlegungsberechtigten Gemeinden (in Zerlegungsfällen)
Der Umstand, dass das Betriebsfinanzamt einen Gewinn als begünstigten Sanierungsgewinn eingestuft hat, hat für die Gemeinden keine bindende Wirkung im Hinblick auf eigene mögliche Billigkeitsmaßnahmen. Jeder Gemeinde muss in eigener Zuständigkeit prüfen, ob für Zwecke der Festsetzung bzw. Erhebung der Gewebsteuer ein begünstigter Sanierungsgewinn vorliegt und inwieweit eine sachliche und persönliche Unbilligkeit für den Gewebetreibenden gegeben ist.
Steuerlass ist nicht notifizierungspflichtig
Die OFD weist darauf hin, dass ein Steuererlass keine notifizierungspflichtige Beihilfe ist (i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag). Das heißt: Der Erlass muss nicht bei der Europäischen Kommission angemeldet und genehmigt werden.
„Verzehr“ des vortragsfähigen Gewebeverlusts
Eine vorgezogene Verlustverrechnung aus Billigkeitsgründen wirkt sich zwar nicht auf die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags durch das Finanzamt aus, jedoch auf die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts (§ 10a Satz 4 GewStG). Denn hier tritt ein Verlustverbrauch ein.
Die OFD weist darauf hin, dass die Berechnungsprogramme der Finanzverwaltung die regulären Verlustverrechnungsregeln anwenden (eingeschränkte Verlustverrechnung nach §10a Sätze 1 und 2 GewStG). Eine vorzeitige Verlustverrechnung kann daher nur durch eine personelle Feststellung durch die Finanzämter erreicht werden.
Sofern sich ein Steuerpflichtiger gegen eine vorgezogene Verlustverrechnung bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts wendet, sollen die Finanzämter darin eine Rücknahme seines Erlassantrags sehen, sodass die Billigkeitsmaßnahmen „rückabzuwickeln“ sind. Die Gemeinde muss hierüber in Kenntnis gesetzt werden.
Entwicklung der Rechtsprechung
Die OFD weist auf ein Urteil des FG Düsseldorf vom 16.3.2011 (Az. 7 K 3831/10 AO, n. v.) hin, wonach auch für die abweichende Steuerfestsetzung des Gewerbesteuermessbetrags das Finanzamt zuständig ist.
Die OFD erklärt, dass Einspruchsverfahren zu dieser Thematik zunächst ruhend gestellt werden müssen.
Hinweis: Der BFH hat im Revisionsverfahren mittlerweile dem FG widersprochen und entschieden, dass nicht die Finanzämter, sondern die Gemeinden für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 AO zuständig sind (BFH, Urteil v. 25.4.2012, I R 24/11). Entsprechende Einsprüche haben daher wenig Aussicht auf Erfolg.
Anrechnung des Gewerbesteuermessbetrags
Sofern die Gemeinden eine Billigkeitsmaßnahme ausspricht, sollen die Finanzämter darauf achten, dass sie die Steuerermäßigung des § 35 EStG (Anrechnung des Gewerbesteuermessbetrags) in der Einkommensteuererklärung des Unternehmers entsprechend mindern. Denn die Begünstigung ist der Höhe nach auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer begrenzt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG). Bleiben die Finanzämter untätig, würde sich für den Unternehmer eine unzulässige Doppelbegünstigung ergeben (Steuerentlastung bei der Einkommensteuer trotz verminderter Gewerbesteuer). Die Finanzämter sollen die Gemeinden daher bereits bei der Unterrichtung über die Billigkeitsmaßnahmen bitten, später Rückmeldung über die vermindert festgesetzte Gewerbesteuer zu geben.
OFD Magdeburg, Verfügung v. 24.11.2011, G 1498 – 3 – St 216
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