Sonderfragen zur zeitlichen Zuordnung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen
Wer seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, muss für die zeitliche Zuordnung seiner Betriebsausgaben das sog. Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG beachten. Nach der „Grundregel“ aus Satz 1 dieser Vorschrift müssen Ausgaben in dem Kalenderjahr abgesetzt werden, in dem sie geleistet wurden. Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, wie z. B. Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, sieht das Gesetz eine Ausnahmeregelung vor: Diese Ausgaben müssen im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgezogen werden, selbst wenn sie beim Unternehmer schon kurze Zeit vor Beginn oder erst kurze Zeit nach Beendigung dieses Jahres abfließen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 EStG). Als „kurze Zeit“ definiert die Rechtsprechung des BFH einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen vor bzw. nach dem Jahreswechsel (somit vom 22.12. bis 10.1.).
OFD beantwortet Sonderfragen
Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen (OFD) greift mit Kurzinfo vom 18.5.2015 einige Besonderheiten auf, die von Unternehmern und Finanzämtern bei der zeitlichen Zuordnung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen beachtet werden müssen.
Auf Fälligkeit und Zahlung kommt es an
Ein Abzug abweichend geleisteter Zahlungen im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit gelingt nur, wenn diese innerhalb des 10-Tages-Zeitraums fällig und geleistet worden sind. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Daher gilt die Abflussfiktion des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht, wenn nur die Zahlung innerhalb der „kurzen Zeit“ nach dem Ende des Kalenderjahrs erfolgt ist, der Fälligkeitszeitpunkt aber außerhalb dieses Zeitraums liegt. Hierfür nennt die OFD folgende Beispiele:
- Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Dezember 2012, die zwar am 7.1.2013 gezahlt werden, jedoch erst am 10.2.2013 fällig sind (= Zuordnung somit in 2013)
- Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das III. Quartal 2012, die zwar am 7.1.2013 gezahlt werden, jedoch bereits am 10.11.2012 fällig waren (= Zuordnung somit in 2013)
„SaSoFei“-Regelung verlängert 10-Tages-Zeitraum nicht
Unternehmer müssen Umsatzsteuer-Voranmeldungen bis zum zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums abgeben, die Zahlung wird auch am zehnten Tag fällig (§ 18 Abs. 1 Satz 1, 4 UStG). Die Zahlungsfrist verlängert sich jedoch bis zum folgenden Werktag, wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (§ 108 Abs. 3 AO). Aufgrund dieser „SaSoFei“-Regelung kann sich die Fälligkeit einer regulär am 10.1. zu leistenden Vorauszahlung nach hinten verschieben. Die OFD weist darauf hin, dass Zahlungen in dieser Fallkonstellation aus dem „10-Tages-Zeitraum“ herausfallen und für sie somit nicht mehr die Abflussfiktion anzuwenden ist (= stattdessen Abzug im Abflussjahr).
Hinweis: Die Fälligkeitsverschiebung nach der „SaSoFei“-Regelung trat zuletzt für Umsatzsteuer-Vorauszahlungen zu den Terminen 10.1.2009 (Samstag), 10.1.2010 (Sonntag) und 10.1.2015 (Samstag) ein. Diese Zahlungen dürfen aufgrund der späteren Fälligkeit somit nicht mehr dem Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit zugerechnet werden, sondern müssen im späteren Zahlungsjahr abgezogen werden. Die OFD verweist insoweit auf das BFH-Urteil vom 11.11.2014 (Az. VIII R 34/12), nach dem die „SaSoFei“-Regelung lediglich die Zahlungsfrist verlängert, nicht jedoch den 10-Tages-Zeitraum der Abflussfiktion.
Hinweis: Im zugrundeliegenden Verfahren hatte ein Rechtsanwalt aus Niedersachsen (vergeblich) versucht, seine am 11.1.2010 (Montag) geleistete Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das vierte Quartal 2009 noch als Betriebsausgabe des Jahres 2009 abzuziehen.
Die OFD weist ihre Finanzämter an, ruhende Einsprüche zum vorgenannten Revisionsverfahren wieder aufzugreifen und entsprechend zu erledigen.
Hinweis: Einspruchsführer müssen nun also damit rechnen, dass Einsprüche, mit denen sie Zahlungen nach dem 10.1. noch im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit berücksichtigt wissen wollen, von den Finanzämtern als unbegründet zurückgewiesen werden.
Abflusszeitpunkt bei Lastschrifteinzug
Hat der Unternehmer seinem Finanzamt eine Lastschrifteinzugsermächtigung erteilt, gilt eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung (bei hinreichend gedecktem Konto) im Zeitpunkt der Fälligkeit als abgeflossen, selbst wenn das Amt den Betrag tatsächlich später einzieht oder eine Widerrufsmöglichkeit des Unternehmers besteht. In diesem Fällen darf der Unternehmer also eine am 10.1. fällige, aber später eingezogene Umsatzsteuer-Vorauszahlung regelmäßig noch im (vorangegangenen) Kalenderjahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit als Betriebsausgabe verbuchen (Anwendung der Abflussfiktion).
Hinweis: Zur Bestimmung des Abflusszeitpunkts bei Scheckzahlungen und Überweisungen vom laufenden Konto verweist die OFD auf die Ausführungen in H 11 „Scheck“ EStH 2014, H 11 „Überweisung“ EStH 2014 und die ESt-Kartei NW, § 11 EStG, Nr. 2000.
Änderung bestandskräftiger Bescheide
Mit weiterer Kurzinfo vom 12.5.2015 weist die OFD darauf hin, dass Unternehmern ein Betriebsausgabenabzug ihrer Umsatzsteuer-Vorauszahlungen wegen falscher Anwendung der Abflussregelungen komplett verloren gehen kann. Betroffen sind die Fälle, in denen das Finanzamt einen Betriebsausgabenabzug im Jahr der Zahlung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung aberkennt und der betroffene Unternehmer daraufhin einen (materiell-rechtlich korrekten) Abzug im vorangegangenen Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit erreichen will. Nach Auffassung der OFD kann ein Betriebsausgabenabzug in diesen Fällen mangels einschlägiger Änderungsvorschrift im Vorjahr nicht mehr vorgenommen werden. Es gilt:
- Der Steuerbescheid des Vorjahres kann regelmäßig nicht mehr aufgrund neuer Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) geändert werden, da den Unternehmer ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache trifft.
- Eine Änderung nach den Regelungen zu widerstreitenden Steuerfestsetzungen (§ 174 Abs. 3 AO) ist nicht möglich, weil unter anderem der ursprünglich unterbliebene Abzug im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht auf einer Fehleinschätzung des Finanzamts beruhte, sondern auf der Erklärung des Unternehmers.
- Der Bescheid ist auch nicht aufgrund offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129 AO) änderbar, da die falsche Zuordnung der Betriebsausgaben durch den Unternehmer erfolgt ist und der Fehler für das Finanzamt nicht eindeutig erkennbar war.
Hinweis: Nur wenn die zu ändernde Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, kann der betroffene Unternehmer die Zahlungen nachträglich noch korrekt abziehen. Verfahrensrechtliche Hürden ergeben sich in diesem Fall nicht, weil die Steuerfestsetzung noch in „alle Richtungen“ änderbar ist.
OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinfo ESt 9/2014 v. 18.5.2015 und Kurzinfo Verfahrensrecht 03/2015 v. 12.5.2015
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