Berufsbegleitendes Studium: Fahrtkosten als Werbungskosten

Eine vom Arbeitnehmer neben der Berufstätigkeit aufgesuchte Bildungseinrichtung stellt keine regelmäßige Arbeitsstätte dar.

Hintergrund
Die Entscheidung betrifft einen Kindergeldfall aus 2009. Damals galt noch eine kindergeldschädliche Einkunftsgrenze von 7.680 EUR. Diese Einkunftsgrenze, die zuletzt 8004 betrug, wurde durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 mit Wirkung ab 2012 aufgehoben.

Zu entscheiden war, ob der frühere Jahresgrenzbetrag überschritten wurde, weil die Fahrtkosten des Kindes nicht in tatsächlicher Höhe, sondern nur mit der Entfernungspauschale abgezogen werden konnten.

Die Entscheidung hat über das Kindergeldrecht hinaus allgemeine Bedeutung für die Berücksichtigung der Fahrtkosten aus Anlass eines Studiums. Werbungskosten können hier allerdings nur dann vorliegen, wenn es sich nicht um eine Erstausbildung, sondern um eine Fortbildungsmaßnahme handelt, da die Erstausbildung nur durch den Sonderausgabenabzug bis zur Höhe von 6.000 EUR gefördert wird (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

Der Sohn (S) schloss in 2008 seine Ausbildung zum Steuerfachangestellten ab und arbeitete anschließend im erlernten Beruf. Zum Jahresende 2008 nahm er ein berufsbegleitendes Studium an einer Fachhochschule im Fachbereich Steuerrecht auf. 28 Wochenstunden arbeitete er als Angestellter in einer Steuerberaterkanzlei. An zwei bis drei Terminen je Woche (abends und auch an Samstagen) besuchte er die Fachhochschule.

Die Familienkasse versagte das Kindergeld für 2009 wegen Überschreiten des Jahresgrenzbetrags. Bei der Berechnung berücksichtigte sie die Fahrten des S zur Fachhochschule nicht mit den tatsächlich angefallenen Kosten, sondern setzte lediglich die Entfernungspauschale an. Dem folgte das Finanzgericht mit der Begründung, S sei einem Arbeitnehmer mit zwei regelmäßigen Arbeitsstätten gleichzustellen.

Entscheidung
Der BFH vertritt eine andere Auffassung. Er verweist auf seine neuere Rechtsprechung zum Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte und gab der Klage statt.

In Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH bereits 2011 entschieden, dass ein Arbeitnehmer nur eine regelmäßige Arbeitstätte haben kann. Denn nur auf die eine Arbeitsstätte kann sich der Arbeitnehmer einstellen und durch Fahrgemeinschaften, öffentliche Verkehrsmittel, Umzug usw. eine Minderung der Wegekosten erreichen.

Sodann verweist der BFH auf neuere Urteile, nach denen eine vom Arbeitnehmer besuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung grundsätzlich keine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt. Das gilt selbst dann, wenn die Bildungseinrichtung im Vollzeitunterricht besucht wird. Denn eine Bildungsmaßnahme ist regelmäßig vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt. Bei typisierender Betrachtung hat der Studierende deshalb keine Möglichkeit, seine Wegekosten gering zu halten. Die Typisierung bedeutet, dass es unerheblich ist, ob der Studierende im konkreten Fall tatsächlich Kosteneinsparungen hätte erreichen können.

Hinweis
Nach dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts, dem der Bundestag am 17.01.2013 zugestimmt hat, wird der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte durch den Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" ersetzt. Außerdem wurde festgelegt, dass auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zweck eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, als erste Tätigkeitsstätte gilt.

BFH Urteil vom 22.11.2012 - III R 64/11 (veröffentlicht am 23.01.2013)