Verluste nach Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer

Für Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird, besteht grundsätzlich eine inhaltliche Bindung an die bei der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegten Beträge.

Dementsprechend wirkt der Einkommensteuerbescheid faktisch wie ein Grundlagenbescheid, ohne jedoch verfahrensrechtlich einer zu sein. Streitig ist, ob die Durchführung einer Verlustfeststellung wegen abweichender Verjährung möglich ist, wenn die Festzungsfrist bei der Einkommensteuer (speziell bei Antragsveranlagungsfällen) schon abgelaufen ist.

Beispiel: A hat nach seiner Ausbildung in 2008 ein Studium begonnen. Im Jahr 2009 fielen für das Studium 5.000 EUR vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit an. Er hatte keine Einnahmen. A stellte im Mai 2014 einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung und beantragte hierbei die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Einkommensteuerveranlagung wegen eingetretener Festsetzungsverjährung (richtigerweise, weil bei Antragsveranlagungen eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht kommt - BFH, Urteil v. 18.10.2012 , VI R 16/11) zum 31.12.2013 ab. Auch die Verlustfeststellung lehnte das Finanzamt ab, weil es aufgrund der Bindungswirkung von § 10d Abs. 4 Sätze  4-5 EStG für den Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids zwingend erforderlich sei, dass der Verlust in einer Einkommensteuerfestsetzung festgestellt worden ist (Satz 4) oder festgestellt werden könnte (Satz 5). Des Weiteren ergäbe sich auch aus dem Umkehrschluss von Satz 6 1. Halbsatz (Umkehrschluss = die Feststellungsfrist endet, wenn die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist), dass es auf den Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr ankommt, wenn die Einkommensteuer verjährt sei (so OFD Frankfurt v. 13.3.2013 und nachfolgend v. 28.5.2014, S 2221 A-40-St 218).

Das FG Düsseldorf hat hierzu aktuell entschieden, dass bereits dem Wortlaut der Vorschriften zu entnehmen ist, dass eine Bindungswirkung der Besteuerungsgrundlagen nur angenommen wird, wenn sie in den Einkommensteuerfestsetzungen zu Grunde gelegt worden sind (Urteil v. 7.5.2014, 15 K 14/14 E, F). Fehlt es an einer derartigen Steuerfestsetzung, bestehen keine Bescheide, denen Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt worden sind. Folglich kommt § 10d Abs. 4 Satz 4 von vorneherein nicht zur Anwendung. Dementsprechend kann es dann auch auf Satz 5, der nur Abweichungen zu Satz 4 regelt, nicht mehr ankommen. Nach Meinung des FG kann auch aus Satz 6 1. Halbsatz kein Umkehrschluss gedeutet werden, weil die Vorschrift nicht das Ende der Frist für die Verlustfeststellung, sondern nur die Mindestdauer (die Feststellungsfrist endet nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist) regelt.

Praxis-Tipp: Da für die Verlustfeststellung eine allgemeine Erklärungspflicht besteht und daher die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu beachten ist (BMF, Schreiben v. 30.11.2007, BStBl 2007 I, 825), beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich 7 Jahre (3 Jahre Anlaufhemmung + 4 Jahre). Daher ist im Fall des A - trotz Ablauf der Festsetzungsfrist bei der Einkommensteuer - eine Verlustfeststellung bis zum 31.12.2016 möglich. Zwar läuft gegen das Urteil des FG Düsseldorf ein Revisionsverfahren vor dem BFH (IX R 22/14). Es bestehen aber gute Chancen, dass der BFH das FG in seiner Auffassung bestätigt. Zum einen wird auch in der steuerrechtlichen Literatur überwiegend diese Auffassung vertreten und zum anderen ist sich offenbar auch die Finanzverwaltung in ihrer Rechtsansicht nicht einig. Die OFD Koblenz (jetzt Landesamt für Steuern) teilte nämlich zwischenzeitlich auch die Auffassung des FG und regte sogar die Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags an (§ 89 Abs. 1 AO), wenn bislang nur die (vierjährige) Festsetzungsfrist bei der Einkommensteuer abgelaufen war (Verfügung v. 22.10.2012, S. 2225 A - St 32 1, Quelle: juris Datenbank). Daher sollten einschlägige Fälle offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).


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