2.1 Überblick
Die kognitive Ergonomie ist kein einheitliches Forschungsfeld. Verschiedenste Forschungsfelder beschäftigen sich aus ihrer eigenen Perspektive mit den bereits erwähnten Phänomenen. Psychologie, Neurowissenschaft, Informatik, Ingenieurspsychologie, Bildungswissenschaft, Kognitionswissenschaft und die Verbraucherwissenschaft, um nur einige zu nennen, beschäftigen sich alle aus verschiedenen Blickwinkeln mit der kognitiven Ergonomie. Dies führt zum einen dazu, dass einheitliche Definitionen und Begrifflichkeiten kaum existieren und zum anderen setzt jede Profession ihren eigenen Schwerpunkt, was das Forschungsgebiet anbelangt.
Einen Ursprung der kognitiven Ergonomie zu bestimmen und die Entwicklungslinien aufzuzeigen, ist aufgrund der vielfältigen Disziplinen schwer möglich. Allerdings kann man getrost behaupten, dass in den 1970ern mit dem Aufkommen von PCs, dem beginnendem Wandel der Arbeitswelt und der Globalisierung erstmals ein größerer Fokus auf diesem Gebiet lag und neben körperlichen Einflüssen auch zunehmend mentale Faktoren untersucht und relevant wurden. Nutzerzentrierung, technologischer Fortschritt, der dies auch notwendig machte, Durchbrüche in der Forschung, v. a. in der kognitiven Psychologie, sowie massive Unglücke aufgrund von Fehlentscheidungen sorgten in den nächsten Jahrzehnten dafür, dass sich die vielen verschiedenen Disziplinen dem Thema zuwandten.
2.2 Relevanz kognitiver Ergonomie
Die Schlagworte Industrie 4.0 und Digitalisierung sind aus dem aktuellen Diskurs nicht wegzudenken. Auch wenn schon vorher wichtig war, die kognitive Ergonomie (beispielsweise im Industriealltag) zu berücksichtigen, hat die Vernetzung der physischen und der virtuellen Welt die Notwendigkeit der Beschäftigung mit diesem Thema verschärft. Neue Formen der Kooperation zwischen Mensch, Technik und Arbeitsumgebung machen es zwingend notwendig, den Menschen nicht nur als physische Komponente im Arbeitsprozess zu betrachten, sondern auch die mentalen Aspekte zu berücksichtigen.
Die Zunahme an Informationen, Schnittstellen, sowie Veränderungen in Menge und Geschwindigkeit von Entscheidungen, die getroffen werden müssen, führen auch heute schon zum vermehrten Auftreten von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und damit verbunden auch zu Erkrankungen. Weitere Probleme sind:
- Redundanz von Tätigkeiten,
- Informationsflut,
- irrelevante Informationen,
- Zeitdruck,
- hohe Verantwortung,
- gleichzeitiges Ausführen verschiedener Tätigkeiten,
- Automatisierung von Planungs- und Koordinationsaktivitäten.
Ein Beispielbereich ist die Kommissionierung in der Intralogistik: Schätzungen zufolge sind 80 % der Kommissionier-Prozesse manuelle Tätigkeiten. Das bedeutet, der Mensch ist unverzichtbarer Bestandteil der Kommissionierung. Gleichzeitig unterliegt sie vielfältigsten technologischen Veränderungen sowie Zeit-,Termin- und Qualitätsdruck. Die Einführung neuer Technologien, wie Pick-by-Light, Pick-by-Voice oder Pick-by-Vision hat, im Vergleich zu papiergebundenen Prozessen, einen drastischen Wandel der Arbeit der Mitarbeiter mit sich gebracht: Die Informationen fließen schneller, es muss schneller reagiert werden, die Informationen müssen korrekt aufgefasst, interpretiert und in Handlungen umgesetzt werden.
Im Eisenbahnverkehr führt der Einsatz neuer Technologien (Digitalisierung und Automatisierung) beispielsweise zu einer Verschiebung von auszuführenden hin zu eher überwachenden Tätigkeiten mit völlig verschiedenen Anforderungen an den Menschen. Die kognitive Ergonomie kann diese Veränderungen begleiten, beim Design neuer Technologien unterstützen und helfen, den Menschen in der Arbeit besser zu verstehen.
Einige Grundfragen der kognitiven Ergonomie
Wie können Informationen optimal gestaltet und bereitgestellt werden?
Warum werden Fehlentscheidungen getroffen und welche Prinzipien liegen zugrunde?
Welche kognitiven Belastungen treten bei der Arbeit auf und wie können diese vermieden/verbessert werden?
Wie kann die Mensch-Maschinen-Interaktion besser gestaltet werden?