Tz. 30
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Vorschrift des § 239 Abs. 3, wonach eine Eintragung oder eine Aufzeichnung nicht in einer Weise verändert werden darf, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist und dass auch solche Veränderungen nicht vorgenommen werden dürfen, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind, dient dem Grundsatz der Klarheit und damit dem Dokumentationszweck (vgl. Tipke/Kruse (2021), § 146 AO, Rn. 58). Bei herkömmlichen Buchführungssystemen bedeutet dies v.a., dass in den Büchern und Aufzeichnungen keine unausgefüllten Zwischenräume gelassen werden, dass Durchstreichungen, Rasuren, Überkleben, Auslöschungen u.Ä. zu unterbleiben haben und unverlöschliches Schreibmaterial verwendet wird – also kein Bleistift, wohl aber Tinte, Maschinenschrift (einschließlich Durchschriften mit Kohlepapier) und auch Kugelschreiber, wenn gewährleistet ist, dass das Geschriebene nicht spurlos beseitigt oder geändert werden kann und bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist lesbar ist (vgl. Tipke/Kruse (2021), § 146 AO, Rn. 62).
Übertragen auf die EDV-Buchführung bedeutet dies, dass der Zugriff zur Durchführung von Änderungen bereits eingegebener Daten durch "programmmäßige Sicherungen und Sperren" zu verhindern ist, was "bereits vom Zeitpunkt der erstmaligen Speicherung an, nicht erst nach durchgeführter Verarbeitung gewährleistet sein" (vgl. Tipke/Kruse (2021), § 146 AO, Rn. 59 (beide Zitate)) muss.
Tz. 31
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Angesichts dessen, dass bei der modernen EDV-Buchführung Änderungen vorgenommen werden können, ohne dass dies ersichtlich ist, muss die Möglichkeit zu nicht bemerkbaren nachträglichen Veränderungen vermindert bzw. so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Gerade in Zeiten der elektronischen Belegerstellung ist jeder Beleg im Nachhinein noch veränderbar, so dass der Prozesserfassung der Belegverarbeitung eine noch größere Bedeutung zukommt als früher (vgl. Weber-Blank, StB 2016, Heft 3, S. I). Daher ist bei dem eingesetzten DV-Verfahren sicherzustellen, dass alle Informationen, die einmal in den DV-Prozess eingespeist worden sind, "nicht mehr unterdrückt oder ohne Kenntlichmachung überschrieben, gelöscht, geändert oder verfälscht werden können" (BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1279)). Die Unveränderbarkeit von Daten kann dabei im Hinblick auf Hardware (bspw. unveränderliche und fälschungssichere Datenträger), Software (z. B. Sicherungen, Sperren, Festschreibungen, Löschmerker, automatische Protokollierungen, Historisierungen oder Versionierungen) und Organisation (bspw. mithilfe von Zugriffsberechtigungskonzepten) sichergestellt werden (vgl. BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1280)). Die Forderung, es müsse gesichert sein, dass die einzelnen "Buchungen nicht geändert werden können", jede "ursprüngliche [...] Eintragung erhalten bleiben" muss und "Berichtigungen [...] nur in Form von Umbuchungen und Stornierungen zulässig" sind (vgl. Leffson (1987), S. 168 (auch Zitate)), ist bei IT-gestützter Buchführung eng auszulegen. Daher problematisiert die Finanzverwaltung bspw. auch den Einsatz von Office-Programmen (vgl. BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1280)). Soweit keine weitergehenden Vorkehrungen getroffen werden, erfüllt nach Auffassung der Finanzverwaltung schließlich auch die bloße Ablage von Daten in einem Dateisystem regelmäßig nicht die Anforderungen des Grundsatzes der Unveränderbarkeit (vgl. BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1280); kritisch hierzu unter Verhältnismäßigkeitsaspekten Burlein/Odenthal, BBK 2015, Beilage Nr. 1 zu Heft 3, S. 1 (26)).
Tz. 32
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Deshalb ist grds. zu fordern, dass alle ursprünglichen Eintragungen erhalten bleiben und alle Berichtigungen nur durch Umbuchungen und Stornierungen möglich sind (vgl. Leffson (1987), S. 168). "Bei programmgenerierten bzw. programmgesteuerten Aufzeichnungen (automatisierte Belege bzw. Dauerbelege) sind Änderungen an den der Aufzeichnung zugrunde liegenden Generierungs- und Steuerungsdaten ebenfalls aufzuzeichnen" (BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1280)). Die EDV-Organisation müsste so gestaltet sein, dass Änderungen und Korrekturen automatisch erfasst und aufgezeichnet werden. Wenn die EDV-Programme keine entsprechenden Bestandteile enthalten, die eine Änderungsdokumentation ermöglichen, wie sie einer Änderungsdokumentation bei manueller Buchführung entspricht, dann sollte einer EDV-Buchführung die Ordnungsmäßigkeit abgesprochen werden. Ferner sollte die Ordnungsmäßigkeit abgesprochen werden, wenn Systemfunktionalitäten oder Manipulationsprogramme, wie bspw. Zapper, Phantomware oder Backoffice-Produkte, eingesetzt werden, die dem Grundsatz der Unveränderbarkeit zuwiderlaufen (vgl. BMF, S...