Leitsatz
Das FG Münster hatte über die Abzweigung von Kindergeld an ein volljähriges Kind zu entscheiden, das bis Juni 2006 in dem Haushalt seines Vaters gelebt und sodann dort ausgezogen und eine Wohnung gemeinsam mit einem Freund angemietet hatte. Der Vater leistete keinen Barunterhalt, sondern hatte seiner Tochter angeboten, weiterhin in seinem Haushalt wohnen und verpflegt werden zu können. Zu klären war die Frage, ob in einem solchen Fall das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden kann.
Sachverhalt
Die am 14.06.1988 geborene Klägerin war die Tochter des beigeladenen kindergeldberechtigten Vaters. Sie besuchte ein Fachseminar für Alten- und Familienpflege. Die Ausbildung begann am 17.10.2005 und sollte am 16.10.2007 beendet werden. Der beigeladene Vater der Klägerin bezog aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 01.08.2005 für die Klägerin und eine weitere Tochter das Kindergeld. Die Klägerin zog am 1.7.2006 aus dem Haushalt ihres Vaters aus und lebte seither gemeinsam mit einem Freund in einer eigenen Wohnung. Am 26.06.2006 beantragte sie die Auszahlung des auf sie entfallenden Kindergeldes an sich.
Der Vater der Klägerin teilte der Beklagten auf dem ihm zur Verfügung gestellten Formular mit, dass seine Tochter weiter die Möglichkeit habe, in seinem Haushalt zu wohnen und verpflegt zu werden. Diese Naturalleistung habe er ihr mehrfach und immer wieder angeboten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.7.2006 den Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes ab mit der Begründung, die Klägerin könne weiterhin im Haushalt ihres Vaters leben und verpflegt werden. Sie berief sich insoweit auf § 74 Abs. 1 EStG.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie u.a. mit einem tiefgreifenden Zerwürfnis zwischen ihr und ihrem Vater begründete, das ein gemeinsames Zusammenleben nicht mehr möglich mache.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Beklagte hielt die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes gemäß § 74 Abs. 1 S. 1 EStG für nicht gegeben. Der kindergeldberechtigte Elternteil erfülle seine Unterhaltspflicht. Als Unterhaltsleistungen seien nicht nur Geldzahlungen, sondern auch Sach- und Betreuungsleistungen zu berücksichtigen. Der Kindesvater habe erklärt, die Klägerin könne weiterhin in seinem Haushalt wohnen und verpflegt werden. Es stehe der Klägerin frei, die angebotenen Unterhaltsleistungen anzunehmen.
Die von der Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage war erfolgreich.
Entscheidung
Das FG hielt die beklagte Familienkasse für verpflichtet, der Klägerin ab dem 1.7.2006 das auf sie entfallende Kindergeld auszuzahlen.
Nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG könne das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nachkomme oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sei. Hinsichtlich der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung knüpfe diese Vorschrift an die zivilrechtlichen Regelungen der §§ 1601 ff. des BGB an.
Bei einem volljährigen auswärts lebenden Kind sei der Unterhalt nach § 1612 Abs. 1 BGB regelmäßig durch eine Geldrente zu leisten. Die Gewährung von Unterhalt durch Betreuung im Rahmen der Personensorge bzw. Naturalunterhalt komme grundsätzlich nur bei minderjährigen Kindern in Betracht. Nur ausnahmsweise könne der Unterhaltsverpflichtete bei Vorliegen besonderer Gründe auch ggü. einem volljährigen Kind verlangen, Unterhalt in anderer Weise - insbesondere durch Naturalunterhalt - zu gewähren.
Die Beklagte berufe sich zu Unrecht darauf, der Beigeladene sei seiner Unterhaltspflicht ggü. der Klägerin auch für die Zeit ab 1.7.2006 nachgekommen, weil er ihr nach ihrem Auszug immer wieder Kost und Logis in seiner Wohnung angeboten habe. Diese Auffassung hielt das FG bereits deshalb für unzutreffend, weil das Angebot des Vaters der Klägerin ihr ggü. auf Gewährung von Naturalunterhalt bereits zivilrechtlich nicht ausreichend sei, um die Klägerin in Annahmverzug hinsichtlich des ihr geschuldeten Unterhalts zu setzen. Zum anderen sei die Auffassung im Rahmen des steuerlichen Familienleistungsausgleichs unzutreffend, weil der beigeladene Vater jedenfalls i.S.d. § 74 Abs. 1 S. 1 EStG seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen sei.
Besondere Gründe für eine Unterhaltsgewährung in anderer Form als einer Geldrente sah das FG nicht. Im Übrigen sei selbst dann, wenn man von einem Bestimmungsrecht des Vaters der Klägerin ausgehen würde, zweifelhaft, ob hier überhaupt eine wirksame Unterhaltsbestimmung vorliege.
Für entscheidend hielt das FG, dass wegen der dauerhaft gestörten Beziehung zwischen der Klägerin und ihrem Vater ihr nicht zumutbar sei, mit ihm zusammen in seinem Haushalt zu leben.
Der beigeladene Vater sei jedenfalls seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht i.S.d. § 74 Abs. 1 S. 1 EStG nicht nachgekommen, da er jedenfalls die zum Lebensbedarf der Klägerin gehörenden Aufwendungen nicht getragen habe.
Eine Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG setze nicht voraus, dass der Kindergeldbe...