Dr. Klaus Kretschik, Dr. Wolfgang Sawazki
Tz. 111a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die Bedeutung immaterieller Vermögenswerte für den Unternehmenswert hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Dies spiegelt sich nicht zuletzt im Anteil immaterieller Werte in den Bilanzen deutscher Unternehmen wider. Je nach Unternehmenstyp und Branche können immaterielle Vermögenswerte den Großteil der Aktiva darstellen und besitzen eine immense Wertrelevanz für die finanzanalytische Beurteilung. Es wird erwartet, dass die Relevanz dieser Vermögenswerte vor dem Hintergrund der zukünftigen Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung weiter ansteigen wird (vgl. Naumann, IRZ 2017, S. 189f.). Verschiebungen bei immateriellen Vermögenswerten innerhalb der Bilanz können sich durch deren Erwerb oder durch unternehmensinterne Bemühungen in F&E ergeben.
Tz. 111b
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Entwicklungskosten sind vorbehaltlich der Ausnahmen des IAS 38.63für bestimmte immaterielle Vermögenswerte (zB selbsterstellte Marken) und vorbehaltlich der Kriterien des IAS 38.57 formal als immaterielle Vermögenswerte aktivierungspflichtig. Aufgrund der Interpretationsspielräume dieser Kriterien besteht hier allerdings ein faktisches Aktivierungswahlrecht, was zB branchenspezifisch sehr unterschiedlich genutzt wird.
Tz. 111c
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Angesetzte immaterielle Vermögenswerte, die hinsichtlich ihrer Art und Nutzung innerhalb der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ähnlich sind, können nach IAS 38.119 in Klassen eingeteilt werden. Für jede dieser Gruppe immaterieller Vermögenswerte hat das Unternehmen zu entscheiden, ob die Folgebewertung nach dem Anschaffungskostenmodell oder dem Neubewertungsmodell durchgeführt werden soll (IAS 38.72). Bei Wahl des Anschaffungskostenmodells ist nach erstmaligem Ansatz ein immaterieller Vermögenswert mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich kumulierter planmäßiger Abschreibungen und Wertminderungsaufwendungen (IAS 38.74) anzusetzen. Zu einer Folgebewertung mit der Neubewertungsmethode auf Grundlage des beizulegenden Zeitwertes, abzüglich späterer Abschreibungen und Wertminderungsaufwendungen, kann nur dann optiert werden, wenn sich der beizulegende Zeitwert auf einem aktiven Markt ermitteln lässt (IAS 38.75). Da aktive Märkte für immaterielle Vermögenswerte nur selten existieren, besitzt die Neubewertungsmethode eine wesentlich geringere praktische Bedeutung als die Anschaffungskostenmethode (IAS 38.78).
Tz. 111d
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die Abschreibungsmethode und somit auch die jeweiligen Abschreibungsbeträge von immateriellen Vermögenswerten innerhalb einer Periode hängen von der Nutzungsdauer des Vermögenswertes ab. Unternehmen beurteilen selbst, ob die Nutzungsdauer eines immateriellen Vermögenswertes begrenzt oder unbegrenzt ist (IAS 38.88). IAS 38.90 (a–h) nennt Indikatoren, die die Abschätzung der Nutzungsdauer unterstützen können.
Ist die Nutzungsdauer begrenzt, ist der Abschreibungsbetrag eines immateriellen Vermögenswertes planmäßig über den Zeitraum der Nutzungsdauer zu verteilen (IAS 38.97). Die Abschreibungsform soll den Nutzenverlauf des Vermögenswertes widerspiegeln. Auch eine leistungsorientierte, lineare oder degressive Abschreibung kann bei immateriellen Vermögenswerten sachgerecht sein. Eine lineare Abschreibung ist immer dann durchzuführen, wenn der Nutzenverlauf nicht verlässlich bestimmt werden kann. Der Abschreibungsbetrag wird aufwand- oder ertragswirksam erfasst, es sei denn, ein anderer IFRS fordert die Erfassung der Abschreibungen als Herstellungskosten im Buchwert eines anderen Vermögenswerts (zB IAS 2). Die Nutzungsdauer muss mindestens jährlich überprüft werden (IAS 38.104). Potenzielle Wertminderungen des Vermögenswertes sind darüber hinaus in Übereinstimmung mit IAS 36 zu untersuchen (IAS 38.111).
Ein immaterieller Vermögenswert mit unbestimmter Nutzungsdauer darf nicht planmäßig abgeschrieben werden (IAS 38.107). Das gilt zB für den Goodwill. Der Vermögenswert ist dann jährlich auf Wertminderung, bzw. wenn Anhaltspunkte für eine Wertminderung bestehen, durch einen Impairment-Test gemäß IAS 36 zu prüfen (IAS 38.108; IAS 38.111; vgl. dazu Tz. 59). Der Fortbestand der Einschätzung einer infiniten Nutzungsdauer muss in jeder Periode hinterfragt werden (IAS 38.109).
Um die Höhe und Nachhaltigkeit der Cashflows von Unternehmen prognostizieren zu können, muss der Analyst den Wert bzw. die Werthaltigkeit des immateriellen Vermögens beurteilen. Es gilt daher zu überprüfen, inwiefern die vom Unternehmen verwendeten Abschreibungsmodalitäten in Bezug auf die Charakteristika der jeweiligen immateriellen Vermögenswerte sachgerecht und realistisch sind. Aufgrund der besonderen Gestalt immaterieller Vermögenswerte reicht der bilanzielle Ausweis nicht aus, um den Adressaten die zum Verständnis notwendigen Informationen vermitteln zu können. Detaillierte Anhangangaben im Zusammenhang immaterieller Vermögenswerte sind daher für die Finanzanalyse elementar.