Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 237
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Schulden, die aus Absichten oder Handlungen des Erwerbers resultieren und sich damit erst aus dem Erwerb des Tochterunternehmens ergeben, dürfen nach IFRS nicht in der Konzernbilanz angesetzt werden, denn sie stellen zum Erwerbszeitpunkt keine Schulden des erworbenen Unternehmens dar. Entsprechend dürfen auch keine Schulden für künftige Verluste oder Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Unternehmenszusammenschluss erwartet werden, angesetzt werden, und zwar unabhängig davon, ob sie aus der Sicht des Erwerbers oder des erworbenen Unternehmens entstehen (IFRS 3.10 ff.).
Tz. 238
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Ein besonderer Anwendungsfall dieser Regelung sind Restrukturierungsrückstellungen. Nach IFRS 3 dürfen Restrukturierungsrückstellungen im Zusammenhang mit dem erworbenen Unternehmen nur angesetzt werden, wenn sie aus Sicht des erworbenen Unternehmens bzw. Veräußerers (Einzelabschlusssicht) die Ansatzvoraussetzungen nach IAS 37 erfüllt haben und daher bereits zum Erwerbszeitpunkt im Einzelabschluss des erworbenen Unternehmens angesetzt waren (IFRS 3.11). Sie erfüllen damit die Definition einer Schuld im Erwerbszeitpunkt und sind erfolgsneutral im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses zu berücksichtigen.
Künftige Verluste oder andere Kosten im Zusammenhang mit dem Unternehmenszusammenschluss dürfen nicht mit einer Rückstellung im Konzernabschluss berücksichtigt werden (IFRS 3.BC132), sondern sind in der Periode, in der sie anfallen, als Aufwand zu erfassen. Restrukturierungspläne des Erwerbers erfüllen damit regelmäßig nicht die Voraussetzungen für eine Passivierung im Erwerbszeitpunkt. Ein Rückstellungsplan beim zu erwerbenden Unternehmen, der davon abhängig ist, ob der Unternehmenszusammenschluss stattfindet, stellt ebenfalls keine Verpflichtung des zu erwerbenden Unternehmens unmittelbar vor dem Erwerbszeitpunkt dar. Ferner handelt es sich auch nicht um eine Eventualschuld des zu erwerbenden Unternehmens unmittelbar vor dem Erwerbszeitpunkt, da es keine mögliche Verpflichtung ist, die nur noch von Faktoren abhängt, die nicht mehr vollständig unter Kontrolle des zu erwerbenden Unternehmens liegen (vgl. auch IFRS 3.BC141). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Kosten des Mutterunternehmens oder um Kosten des Tochterunternehmens handelt. Entscheidend ist, ob bereits zum Erwerbszeitpunkt eine Rückstellung im Einzelabschluss des erworbenen Unternehmens angesetzt war; in diesem Zusammenhang gilt es auch zu analysieren, ob der Verkäufer diese Maßnahmen ebenfalls auf einer stand-alone-Basis durchgeführt hätte bzw. die Maßnahme auf die Vertragsverhandlungen im Zusammenhang mit dem Unternehmenszusammenschluss zurückzuführen ist (IFRS 3.B50 ff.).
Tz. 239
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
In IFRS 3 verweist der IASB zur Begründung des Passivierungsverbots auf die Definition einer Schuld gem. Rahmenkonzept (IFRS 3.BC132). Die in IFRS 3 (2004) enthaltene unscharfe Abgrenzung von passivierungspflichtigen Eventualschulden und nicht zu passivierenden Restrukturierungsrückstellungen wird mit IFRS 3 insofern aufgelöst, als dass in beiden Fällen die Definition einer Schuld gem. Rahmenkonzept zu erfüllen ist.
Tz. 240
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Besteht indes eine vertragliche Verpflichtung des erworbenen Unternehmens, im Fall eines Unternehmenszusammenschlusses eine Zahlung vorzunehmen, so stellt dies eine gegenwärtige Verpflichtung dar, die im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses zu berücksichtigen ist. Ein Beispiel hierfür stellen vertraglich zugesicherte Bonuszahlungen des erworbenen Unternehmens an das eigene Management im Falle eines Unternehmenszusammenschlusses dar. Tritt der Unternehmenszusammenschluss ein, stellen diese Bonuszahlungen Verpflichtungen des erworbenen Unternehmens dar und sind als Schuld im Rahmen der Kaufpreisallokation anzusetzen.