Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 241
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Nach IFRS 3 sind die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden zu ihren beizulegenden Zeitwerten anzusetzen (zur nachträglichen Berücksichtigung von zunächst nicht erfassten aktiven latenten Steuern vgl. Tz. 414). Entstehen dabei temporäre Differenzen gem. IAS 12 zwischen dem Ansatz im steuerlichen Abschluss des erworbenen Unternehmens und im Konzernabschluss, so sind zwingend latente Steuern auf diese – erfolgsneutralen – Erstkonsolidierungseffekte abzugrenzen (IFRS 3.24 f.). Gemäß IAS 12.15(a) sind für einen Goodwill keine latenten Steuern anzusetzen. Entscheidend für den Ansatz von latenten Steuern im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses sind somit die Definitions- und Ansatzkriterien in IAS 12.
Tz. 242
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Ferner sind aktivische latente Steuern zu bilanzieren, wenn ein Tochterunternehmen bspw. wegen andauernder Verluste bislang nicht die Möglichkeit hatte, künftige steuerliche Vorteile aus steuerlichen Verlusten (tax benefits arising from tax losses) zu bilanzieren, da es nicht wahrscheinlich war, dass ausreichende, zukünftig zu versteuernde Ergebnisse zur Verfügung stehen werden, und dies aus Konzernsicht anders beurteilt werden kann (IAS 12.35–37). Sofern vergangene Verluste des erworbenen Unternehmens mit derzeitigen oder künftigen Gewinnen des Erwerbers verrechnet werden können, kann ein Verlustausgleich mit künftigen Gewinnen wahrscheinlich sein. Ein Ansatz der steuerlichen Vorteile (tax benefits) wäre somit möglich (IFRS 3.25). Im deutschen Steuerrecht ist diese Möglichkeit allerdings wegen der restriktiven Vorschriften zum Mantelkauf (§ 8c KStG) bzw. zur Verlustfortführung nach Verschmelzung (§ 12 Abs. 2 UmwStG) nur selten erfüllt (vgl. auch Lüdenbach, in: Haufe IFRS-Kommentar, 14. Aufl., § 31, Rz. 113). Aber auch bei fehlender Verrechnungsmöglichkeit mit Gewinnen des Erwerbers könnte sich ein Ansatz der steuerlichen Vorteile (tax benefits) daraus ergeben, dass wegen eingeleiteter Restrukturierungsmaßnahmen künftige Gewinne des Tochterunternehmens wahrscheinlich werden, die eine Nutzung der steuerlichen Verluste (tax losses) aus der Vergangenheit möglich machen. Auch in diesem Fall wäre der steuerliche Vorteil (tax benefit) zu bilanzieren. Die steuerlichen Vorteile sind erst nach dem Ansatz und der Wertermittlung der anderen erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden zu bestimmen, da sie entscheidend durch die beizulegenden Zeitwerte der anderen Bilanzpositionen beeinflusst werden.
Tz. 243
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
IFRS 3.24 stellt zudem klar, dass latente Steuern nicht der allgemeinen Bewertung zum beizulegenden Zeitwert gem. IFRS 3 unterliegen, sondern den Bewertungsvorschriften in IAS 12. Hintergrund dieser expliziten Ausnahmeregelung bei der Bewertung der latenten Steuern ist, dass eine Änderung der Bewertung im ersten Jahr nach der Erstkonsolidierung, welche aufgrund der allgemeinen Erfordernis zur Folgekonsolidierung nach IAS 12 notwendig wäre, vermieden werden soll.