Prof. Dr. Isabel von Keitz, Prof. Dr. Peter Wollmert
Tz. 120
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Der Grundsatz der Einzelbewertung ist in der IFRS-Rechnungslegung zwar nicht ausdrücklich als Bewertungsgrundsatz formuliert, folgt aber aus dem framework sowie aus einzelnen Bestimmungen in den IASB-Standards. Danach sind Schulden (liabilities), zu denen auch die Rückstellungen (provisions) zählen (F.4.19 (2010)), grundsätzlich einzeln zu bewerten. Der Einzelbewertungsgrundsatz gilt uE nur insoweit, als nicht im Wege einer Einzelbewertung wirtschaftlich unvertretbare Ergebnisse entstehen. Das kann etwa bei Verbundgeschäften der Fall sein oder dann, wenn Rechtsgeschäfte bewusst mit mittelbarem Einfluss auf andere Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden (zB kaufmännische Abwehrmaßnahmen; zur Auswirkung auf den Ansatz von Drohverlustrückstellungen vgl. Tz. 81)
Bei fallweise auftretenden Einzelrisiken, bei denen naturgemäß keine Erfahrungswerte vorliegen, ist in jedem Fall eine Einzelbewertung geboten. Die Bewertung ist jeweils an den nachfolgenden Bilanzstichtagen zu überprüfen und, soweit erforderlich, zu aktualisieren (zur Folgebewertung vgl. Tz. 125 ff.). Einer Einzelbewertung bedarf es bspw. bei der Beurteilung von Umwelt- oder Prozessrisiken. Problematisch insbesondere im Fall von anhängigen Gerichtsverfahren kann sein, dass die Rückstellungsbildung respektive -bewertung möglicherweise als Schuldeingeständnis (miss-)verstanden werden können. So hing im Fall der durch den Mineralölkonzern BP im Jahre 2010 verursachten Deepwater-Horizon-Ölpest die Höhe der Clean-Water-Act-Strafzahlungen signifikant ua davon ab, ob BP grob fahrlässig gehandelt hat (vgl. dazu ausführlich Orthaus/Pelger, KoR 2014, S. 221ff.).
Tz. 121
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Bei Massentransaktionen hingegen, die sich durch eine große Anzahl gleichartiger Risiken auszeichnen, ist eine Sammelbewertung zulässig und in der Regel geboten (IAS 37.24 analog iVm. IAS 37.39). Im Rahmen einer solchen Sammelbewertung ist die Risikobeurteilung bestandsbezogen und richtet sich nicht auf den Einzelfall. Sofern sich die Bewertung auf statistisch abgesicherte Erfahrungswerte stützt, liegt eine Form der pauschalierten Einzelrisikenermittlung vor. Eine Sammelbewertung kommt insb. bei der Ermittlung von Garantieverpflichtungen (vgl. IAS 37, Anh. C, Bsp. 1) oder einem Portfolio an ähnlichen Bürgschaften (vgl. IAS 37, Anh. C, Bsp. 9) in Betracht.