Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 421
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Put-Optionen sind Rechte fremder Dritte, Anteile ohne beherrschenden Einfluss zu einem künftigen Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis an das Mutterunternehmen zu veräußern. Ebenso wie bei Call-Optionen kann der Preis einem festen Betrag entsprechen, vom beizulegenden Zeitwert der zu veräußernden Anteile, künftigen Ergebnissen oder dem Wert des Reinvermögens des Tochterunternehmens zum Ausübungszeitpunkt abhängig sein. Die Bilanzierung von Put-Optionen auf Anteile ohne beherrschenden Einfluss ist in den IFRS derzeit nicht geregelt. Zudem gibt es einen potenziellen Konflikt zwischen den in IAS 32 und IAS 39 sowie den in IFRS 10 enthaltenen Regelungen zur Bilanzierung von Put-Optionen und Anteilen ohne beherrschenden Einfluss (zur weiteren Entwicklung vgl. Tz. 423a).
Tz. 422
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Zur Bilanzierung von Optionen und zum Erwerb von zusätzlichen Anteilen, die in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unternehmenserwerb stehen, folgendes Beispiel:
Beispiel:
Als Folge eines Erwerbs von 60 % der Anteile an einem börsennotierten Tochterunternehmen verlangt die zuständige Börsenaufsicht, dass das Mutterunternehmen an die anderen Anteilseigner ein Angebot zum Erwerb abgibt, das mindestens iHd. bei der Transaktion vereinbarten Preises liegt. Das Angebot soll schnellstmöglich abgegeben werden und mindestens für 30 Tage gelten. Vor Ablauf der 30-Tage-Frist erwirbt das Mutterunternehmen 3 % der am Markt noch gehandelten Anteile zu einem Preis, der geringfügig unter dem Angebotspreis liegt (aufgrund der Zinsersparnis bis zum Ausübungszeitpunkt). Zum Ende der Frist werden dem Mutterunternehmen weitere 22 % der Anteile angeboten und übernommen. Im Anschluss daran erwirbt das Mutterunternehmen sukzessiv die verbleibenden Anteile ohne beherrschenden Einfluss iHv. 15 %. Der Erwerb der Anteile iHv. 3 % und 22 % sind mit dem Unternehmenszusammenschluss verbunden und als Teil des Unternehmenszusammenschlusses zu bilanzieren. Faktisch handelt es sich bereits im Erwerbszeitpunkt (des Erwerbs der Anteile iHv. 60 %) um eine Put-Option der Anteilseigner ohne beherrschenden Einfluss, die zwar nicht vertraglich vereinbart ist, aber gesetzlich durchsetzbar ist. Zum Erwerbszeitpunkt ist damit zunächst der Erwerb von 100 % der Anteile (und entsprechendem Goodwill) zu erfassen. Obwohl die Put-Option nicht die Definition einer Verbindlichkeit gem. IAS 32.11 erfüllt (da es sich bei ihnen nicht um "legal obligations" handelt), ist uE dennoch eine Verbindlichkeit zu erfassen, da die faktische Verpflichtung aus dem Angebot wirtschaftlich einer vertraglichen Beziehung zwischen außenstehenden Anteilseignern und erwerbenden Unternehmen entspricht. Diese Auslegung ist konsistent mit dem Erfordernis in IFRIC 2 Members’ Shares in Co-operative Entities and Similar Instruments, Para. 5, bei der Klassifizierung von Verbindlichkeiten sämtliche Bedingungen und Umstände zu berücksichtigen. Am Ende der Angebotsfrist ist iHd. nicht angebotenen Anteils ein Anteil ohne beherrschenden Einfluss zu erfassen, indem die hierfür erfasste Verbindlichkeit eliminiert wird und ggf. in Höhe der Differenz der Goodwill angepasst wird. Der Erwerb der Anteile nach dem Ablauf der Angebotsfrist ist als Erwerb von Anteile ohne beherrschenden Einfluss abzubilden (vgl. Tz. 253 ff.).
Tz. 423
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Die Bilanzierung der Put-Optionen auf Anteile ohne beherrschenden Einfluss (non-controlling interests, NCI), zB ob ein Anteil ohne beherrschenden Einfluss zu passivieren ist und wie ein solcher in den Folgeperioden fortzuschreiben ist, hängt zum einen von den zugrunde liegenden Bedingungen ab, zum anderen ist uE allerdings unter Beachtung der in der folgenden Abbildung dargestellten Überlegungen und möglichen Alternativen auch eine einheitlich anzuwendende Bilanzierungsmethode zu entwickeln, da die IFRS (vor allem IFRS 10 und IAS 32) keine expliziten Hinweise zur Bilanzierung von solchen Put-Optionen enthalten. Bis zu einer Klärung durch den IASB (vgl. Tz. 423a) sind, je nachdem, welche Standards bei der Entwicklung einer Bilanzierungsmethode berücksichtigt werden, sogar folgende, unterschiedliche Ergebnisse möglich (ausführlich vgl. Hayn, S., 2008, S. 432 ff.; Ernst & Young, International GAAP 2017, Kap. 7, Abschn. 5.2.1).
Alternativen zur Bilanzierung von Put-Optionen bei Anwendung von IAS 27 (in Anlehnung an Ernst & Young, International GAAP 2017, Kap. 7, Abschn. 5.2.1)
Tz. 423a
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Nachdem es das IFRIC und der IASB seit dem Jahr 2006 wiederholt abgelehnt haben, die Bilanzierung von Put-Optionen auf Anteile ohne beherrschenden Einfluss zu klären (vgl. ua. IASCF, IFRIC Update, May 2006, S. 5 und IFRIC Update, November 2006, S. 8 ff.) und diese Frage auch nicht im Rahmen des IASB-Projekts Financial Instruments with Characteristics of Equity (Liabilities and Equity) behandelt wird, befasst sich das IFRIC in dem Projekt IAS 27/IAS 32 Accounting for Put Options Written over Non-controlling Interests nun doch mit...