Leitsatz
Deutsche Eheleute, die mit ihrem gesamten steuerpflichtigen Einkünften der deutschen Besteuerung unterliegen, können eine Zusammenveranlagung beantragen, auch wenn sich ihr Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt nicht in einem EU- oder EWR-Staat befindet, sondern in der Schweiz.
Sachverhalt
Die Klägerin lebt mit ihrem Ehepartner in der Schweiz. Beide besitzen lediglich die deutsche Staatsangehörigkeit und erzielen ihre Einkünfte ausschließlich in Deutschland. Im Rahmen ihrer deutschen Steuererklärung beantragten sie eine Zusammenveranlagung. Das Finanzamt führte Einzelveranlagungen durch, da sich der Wohnsitz der Eheleute nicht in einem EU / EWR Staat befand und die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG damit nicht erfüllt seien. Die Eheleute machten daraufhin geltend, dass sie beide gem. § 1 Abs. 3 EStG in Deutschland fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig sind und die vom Finanzamt angeführte Vorschrift damit nicht einschlägig sei. Diese Sichtweise lehnte das Finanzamt ab. Die Ehefrau verfolgte ihr Begehren im Klageverfahren weiter. Die Rechtsfrage wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hatte entschieden, dass die Regelung eines Mitgliedstaates, nach der die Anwendung des Splittingverfahrens allein deshalb verweigert wird, weil Steuerpflichtige ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, gemeinschaftswidrig sei. Das Finanzamt wollte dem EuGH-Urteil nicht durch Abhilfebescheid folgen, sondern wünschte eine Entscheidung durch das FG.
Entscheidung
Das Gericht gab der Klage statt. Nach der deutschen Gesetzeslage wäre eine Zusammenveranlagung zwar nicht möglich, da keiner der Ehegatten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat hatte. Nach der Vorabentscheidung des EuGH ist das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen aber dahingehend auszulegen, dass es der Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, nach der Eheleute, die Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates sind und mit ihren gesamten steuerpflichtigen Einkünften der Besteuerung in diesem Staat unterliegen, die in dieser Regelung vorgesehene Zusammenveranlagung allein deshalb verweigert wird, weil ihr Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Schweiz liegt.
Hinweis
Durch das zwischen der EU und der Schweiz bestehende Freizügigkeitsabkommen werden wesentliche Elemente der europäischen Personenfreizügigkeit auf das Verhältnis zur Schweiz ausgeweitet. Allerdings ist zu beachten, dass die Qualität des Abkommens nicht durchweg an die Grundfreiheiten des Unionsrechts heranreicht. In Hinblick auf die Gewährung der Zusammenveranlagung hat der EuGH nun aber eine weitere Angleichung bewirkt.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.04.2013, 3 K 825/13