Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeldanspruch bei Ausbildungsunterbrechung wegen Kinderbetreuung nach Ablauf der Mutterschutzfristen
Leitsatz (redaktionell)
Es besteht kein Kindergeldanspruch für ein Kind, das seine Berufsausbildung wegen der Geburt eines eigenen Kindes unterbricht, wenn sowohl die gesetzlichen Mutterschutzfristen der §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz abgelaufen sind als auch die Voraussetzungen der Übergangsfrist des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt sind.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2; AO § 37 Abs. 2; MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin (Klin) ist die Mutter der am … 05.1982 geborenen A. A begann am 13.09.2004 eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilerziehungspflegerin. Voraussichtliches Ausbildungsende war im Juli 2007. Am 15.08.2005 gebar A eine Tochter. Ihre Ausbildung unterbrach A vor der Geburt. Am 04.08.2007 heiratete A den Vater ihrer Tochter. Im September 2007 setzte sie ihre Ausbildung fort.
Die Beklagte (die Familienkasse – FK –) gewährte für A bis einschließlich Juli 2007 Kindergeld. Mit Bescheid vom 27.07.2007 hob die FK die Kindergeldfestsetzung von Juli 2005 bis Juli 2007 auf und forderte das für diesen Zeitraum ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 3.850 EUR von der Klin zurück. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 29.10.2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Klin habe sich in der Zeit von Februar bis April 2005 mehrfach mit der FK telefonisch in Verbindung gesetzt, um das Fortbestehen des Kindergeldanspruchs zu klären. Infolge unvollständiger oder missverständlicher Auskünfte der FK sei die Klin in der Folgezeit davon ausgegangen, zu Recht Kindergeld zu beziehen, dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Vater des Enkelkindes als Abiturient nicht leistungsfähig und selbst unterhaltsbedürftig gewesen sei. Die Klin habe die Kindergeldbeträge gutgläubig an A weitergegeben. Die Rückforderung stelle aufgrund der Einkommenssituation der Klin eine Härte dar. Auch nach der Entbindung habe die Klin der FK mitgeteilt, dass A ihre Ausbildung unterbrechen müsse und erst nach Erhalt eines Krippenplatzes fortsetzen könne. Die Regelung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2b Einkommensteuergesetz (EStG) sei der Klin weder von der FK erläutert worden noch anderweitig bekannt gewesen.
Im Laufe des Klageverfahrens schränkte die FK unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mutterschutzfristen durch Änderungsbescheid vom 31.03.2008 den Aufhebungs- und Rückforderungszeitraum auf die Monate November 2005 bis Juli 2007 ein und reduzierte den Rückforderungsbetrag auf 3.234 EUR. Der Rechtsstreit wurde insoweit nach Teilerledigungserklärung der Beteiligten abgetrennt.
Die Klin beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 27.07.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.10.2007 und des Änderungsbescheids vom 31.03.2008 insoweit aufzuheben als die Kindergeldfestsetzung für die Monate November 2005 bis Juli 2007 aufgehoben und das Kindergeld in Höhe von 3.234 EUR zurückgefordert wurde.
Die FK beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie darauf, dass zur Berufsausbildung nur Unterbrechungszeiten wegen Mutterschutz, nicht aber solche wegen Kinderbetreuung gehörten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf … Bezug genommen.
Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 05.09.2008 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist unbegründet.
a) Die FK hat die Kindergeldfestsetzung zu Recht aufgehoben.
Nach § 70 Abs. 2 EStG ist, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung aufzuheben oder zu ändern.
Im vorliegenden Fall haben sich die Verhältnisse insoweit geändert, als die Anspruchsvoraussetzung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG im streitigen Zeitraum nicht mehr vorlagen.
aa) A befand sich nicht mehr in Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteil vom 15.07.2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848) kommt es für die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands auf die tatsächliche Durchführung von auf die Ausbildung gerichteten Maßnahmen und nicht auf das Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses an. Unschädlich für den Kindergeldanspruch ist insoweit nur der Zeitraum, in dem das Kind sein Ausbildungsverhältnis wegen des Eingreifens der Schutzfristen nach §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) unterbricht. Denn in solchen Fällen hat das Kind den...