Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nach § 24 UmwStG 1995. Rückbeziehung des steuerlichen Übertragungszeitpunkts trotz Nichterfassung des übernommenen Betriebsvermögens in der ersten Schlussbilanz nach dem beantragten steuerlichen Vermögensübergang
Leitsatz (redaktionell)
1. Für eine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nach § 24 UmwStG ist es unschädlich, dass der einbringende Kommanditist bereits vor der Verschmelzung zu 100 % am Vermögen der aufnehmenden KG beteiligt war.
2. Der Antrag auf Rückbeziehung des steuerlichen Übertragungszeitpunkts ist gesetzlich nicht an eine bestimmte Form gebunden. Er unterliegt nach dem UmwStG 1995 keiner Befristung, insbesondere keiner Ausschlussfrist.
3. Das steuerliche Bewertungswahlrecht steht allein der übernehmenden Gesellschaft zu und ist in deren Bilanz – unabhängig vom Wertansatz in der Handelsbilanz – auszuüben.
4. Das Wahlrecht auf Rückbeziehung des steuerlichen Übertragungszeitpunkts hängt nicht insoweit vom Bewertungswahlrecht nach § 24 Abs. 2 UmwStG 1995 ab, als eine Nichterfassung des übernommenen Betriebsvermögens in der ersten Schlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft nach dem beantragten steuerlichen Vermögensübergang zur Unwirksamkeit des Antrags auf Rückbeziehung führen würde.
Normenkette
UmwStG 1995 §§ 24, 20 Abs. 7-8; UmwG § 2 Nr. 1, § 17 Abs. 2; GewStG § 10a
Tenor
1. Unter Änderung des Gewerbesteuermessbescheids für 2000 vom 20. Oktober 2008 und des Bescheids über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 vom 14. März 2008 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2010 wird der Gewerbesteuermessbetrag für 2000 auf 0 EUR/DM festgesetzt und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2000 auf … EUR (… DM) festgestellt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ein im Rahmen einer Verschmelzung übergegangener gewerbesteuerlicher Verlustvortrag bereits im Streitjahr 2000 oder erst im Folgejahr 2001 bei der übernehmenden Klägerin zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist eine in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführte Personengesellschaft. Sie gehört zur … Unternehmens-Gruppe, einem international im Bereich der Automobilzulieferindustrie tätigen, mittelständischen Unternehmen. Zweck der Gesellschaft ist die Herstellung isolierter Elektrokabel, -leitungen und -drähte. Ihren Gewinn ermittelt die Klägerin gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) durch Betriebsvermögensvergleich.
Komplementärin der Klägerin war im Streitjahr und den Folgejahren die … GmbH (K & S GmbH). Kommanditisten der Klägerin waren im Streitjahr zunächst die … KG, … (KIS KG) und die … KG, … (K & S KG). Mit Vertrag vom 16. Februar 2001 erwarb mit Wirkung zum 31.12.2000 die K & S KG den Kommanditanteil der KIS KG an der Klägerin und war danach alleinige Kommanditistin der Klägerin.
Kommanditisten der KIS KG waren zunächst die K & S KG sowie die … AG, Schweiz (K & S AG CH), deren Anteil die K & S KG ebenfalls mit Vertrag vom 16. Februar 2001 mit Wirkung zum 31.12.2000 erwarb. Komplementärin der KIS KG war im Streitjahr 2000 zunächst die … Management GmbH. Diese wurde zum 31. Dezember 2000 auf die K & S GmbH verschmolzen.
Mit Vertrag vom 10. April 2001 wurde das gesamte Vermögen der KIS KG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten gemäß § 2 Nr. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG) im Wege der Verschmelzung auf die Klägerin übertragen. Die Übertragung sollte lt. Vertrag auf der Grundlage der Schlussbilanz der KIS KG zum 31. Dezember 2000, 24:00 Uhr, zu Buchwerten erfolgen (III. Art. 2 (2) der Vereinbarung). Es wurde ferner vereinbart, dass die Übernahme des Vermögen der KIS KG mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Januar 2001, 0:00 Uhr erfolgen sollte (handelsrechtlicher Verschmelzungsstichtag; III. Art. 2 (3) der Vereinbarung). Die Verschmelzung wurde am 23. August 2001 im Handelsregister eingetragen.
In der im Jahr 2002 abgegebenen Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2000 machte die Klägerin einen von der KIS KG übernommenen Verlustvortrag in Höhe von … DM geltend. Der Beklagte (Finanzamt) veranlagte zunächst erklärungsgemäß und setzte den Gewerbesteuermessbetrag unter dem Vorbehalt der Nachprüfung aufgrund des übernommenen Gewerbeverlustes auf 0 DM/Euro fest. Gleichzeitig wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ein vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2000 in Höhe von … EUR (… DM) festgestellt, der später auf … EUR (… DM: Bescheid vom 12. Oktober 2006) geändert wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Nach Durchführung einer Außenprüfung (Oktober 2005 bis Oktober 2007) wurde die Festsetzung des...