Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit bei Zeitschriften-Verteilern
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Zeitschriften-Verteiler kann nach den Verhältnissen im konkreten Einzelfall eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Für die selbstständige Tätigkeit spricht beispielsweise der Umstand, dass der Zeitschriften-Verteiler selbst seinen Abnehmerkreis aufbauen und betreuen muss.
2) Es reicht für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit des Zeitschriften-Verteilers aus, dass er die Möglichkeit zur unternehmerischen Initiative besitzt. In welchem Umfang er diese Möglichkeit dann tatsächlich nutzt, ist unbeachtlich.
Normenkette
EStG § 40a Abs. 4-5, § 40 Abs. 3; LStDV § 1; EStG § 40a Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Zeitschriftenverteiler selbständig oder nichtselbständig tätig sind.
Die Klägerin (Klin.) ist eine GmbH. Sie betreibt einen Verlag und erstellt Zeitschriften für den Veranstaltungsbereich. Die Verbreitung erfolgt durch Zeitschriftenverteiler. Schriftliche Verträge zwischen der Klin. und den Verteilern bestehen nicht. Die Klin. stellt die Zeitschriften den Verteilern zur Verfügung, die sie in ihrem Bezirk innerhalb von drei Tagen verteilen müssen. Auf diese Weise werden innerhalb von drei Tagen nach Erscheinen der Zeitschrift ca. 350 Abnehmer im Erscheinungsgebiet von ca. 100 km um Münster mit der Zeitschrift beliefert. Die Einteilung der Gebiete in Verteilerbezirke (z.B. G/N) oder Tour 3 (G, E, R, I) wird zwischen der Klin. und den Verteilern jeweils vereinbart. Die Bezirke können unter den Verteilern danach auch getauscht werden, wobei die Klin. anschließend benachrichtigt wird. Es bleibt den Verteilern überlassen, an welchen Stellen sie die Zeitschriften abgeben. Sie können die Abnehmer bei jeder Lieferung nach eigenem Ermessen neu bestimmen. Sie legen mit den Abnehmern die Anzahl der zu liefernden Hefte fest. Die Anforderung der Anzahl der Exemplare bestimmt alleine der Verteiler. Die Klin. hat weder eine Maximal- noch eine Minimalzahl festgelegt. Hat der Verteiler weitere Verteilstellen akquiriert, so nimmt er dementsprechend zusätzlich Hefte ab. Die Hefte werden direkt bei den Abnehmern zur Auslage in deren Geschäftsräumen übergeben. Inzwischen existiert ein Stock an Verteilstellen. Der Verteiler übergibt der Klin. nach der Verteilung eine Liste der Empfänger. Anhand dieser Liste überprüft die Klin. stichprobenweise, ob die Exemplare verteilt worden sind.
Bei den Verteilern handelt es sich nicht ausschließlich oder überwiegend um Schüler, Studenten oder Hausfrauen. Die Verteiler sind auch für andere Auftraggeber tätig. Sie sind nicht persönlich zur Ausführung verpflichtet. Es besteht keine ständige Dienstbereitschaft. Die Verteiler teilen der Klin. mit, wann sie nicht zur Verfügung stehen. Eine Urlaubsgenehmigung durch die Klin. erfolgt nicht. Die Art und Weise der Erledigung der innerhalb der einzelnen Zeiträume anfallenden Aufträge wie auch die Reihenfolge der Erledigung stehen im Ermessen der Verteiler und werden in keiner Weise kontrolliert.
Die Verteiler erhalten nach Angaben der Klin. – was vom FA erstmals in der mündlichen Verhandlung am 23.05.2001 bestritten wird – pro abgenommenes Exemplar 0,06 DM als Vergütung. Die Klin. erstattet weder Fahrtkosten noch sonstige Kosten. Die Verteiler erhalten bei Krankheit oder Abwesenheit keine Vergütung. Die Klin. stellt den Verteilern auch keine betrieblichen Anlagegüter wie z.B. PKW oder Büroausstattung zur Verfügung.
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) führte 1996 bei der Klin. für den Zeitraum 01.01.1993 bis 31.05.1996 eine Lohnsteueraußenprüfung durch (Ap-Bericht vom 05.06.1996). Das FA vertrat die Auffassung, daß die Zahlungen, die die Klin. an die Verteiler geleistet habe, nach § 40 a Einkommensteuergesetz (EStG) pauschal zu versteuern seien, da es sich bei den Verteilern um Arbeitnehmer im Sinne des § 40 a EStG handeln würde. Es erließ dementsprechend am 17.09.1996 einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für den Zeitraum 01.01.1993 bis 31.05.1996 über einen Gesamtbetrag in Höhe von 10.324,20 DM.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug die Klin. vor, die Verteiler seien nicht als Arbeitnehmer einzustufen. Es würde sich um selbständige Kurierdienste handeln (vgl. die Schreiben der Klin. vom 15.10.1996 und vom 19.09.1997).
Der Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung -EE- vom 15.12.1997).
Zur Begründung führte das FA aus, die Tätigkeit der Zeitschriftenverteiler sei durch Weisungsgebundenheit, organisatorische Eingliederung, fehlendes Unternehmerrisiko und fehlende Unternehmerinitiative gekennzeichnet und daher als nichtselbständig zu werten.
Die Weisungsgebundenheit und organisatorische Eingliederung ergebe sich vor allem aus der von den Verteilern ausgeübten untergeordneten Tätigkeit. Bei der Verteilung der Zeitschriften würde es sich um eine Tätigkeit einfacher Art handeln, die ohne jede Vorbildung erledigt werden könne und bei der die Ent...