Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO durch negativen Feststellungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Korrektur eines Steuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO.
- Ein negativer Feststellungsbescheid kann ein Grundlagenbescheid sein, dem Bindungswirkung für den ESt-Bescheid zukommt.
- Ist ein bestimmter steuerlich relevanter Sachverhalt zunächst Gegenstand eines Feststellungsverfahrens, so ist das für den Folgebescheid zuständige FA durch die Bindung an den Feststellungsbescheid gehindert, abschließend eigene Ermittlungen vorzunehmen. Die nämlichen Konsequenzen gelten auch für Fälle, in denen ein zunächst eingeleitetes Feststellungsverfahren i. S. von § 180 AO zu einem negativen Feststellungsbescheid führt.
- Nach dem Erlass eines negativen Feststellungsbescheides hat das für den Folgebescheid zuständige FA den Sachverhalt in eigener Zuständigkeit zu ermitteln, steuerlich zu beurteilen und die entsprechende Folgeentscheidung zu treffen bzw. einen vorhandenen Folgebescheid entsprechend zu ändern.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10, § 180
Streitjahr(e)
1977, 1978, 1979, 1980, 1981, 1982
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Festsetzungsfrist bereits vor Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1977 bis 1982 (Streitjahre) abgelaufen war.
Die Kläger bilden eine Erbengemeinschaft, die sich aus den Rechtsnachfolgern der am 28.8.1998 verstorbenen Erblasserin zusammensetzt. Der Kläger zu 3) ist gleichzeitig Testamentsvollstrecker.
Die Erblasserin war bis 31.5.1973 als Gesellschafterin an einer Vermögens- und Grundstücksverwaltungs-Kommanditgesellschaft (im Folgenden: die KG) mit Sitz in Hamburg beteiligt. Mit ihrem Ausscheiden traten die Kläger als Kommanditisten in die KG ein. Als persönlich haftende Gesellschafterin der KG wurde die V. GmbH tätig, deren Geschäftsführer der Kläger zu 3) war. Die Erblasserin hatte dem Kläger zu 3) ferner eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt.
In den Jahren 1969 und 1971 brachte die Erblasserin mehrere Grundstücke unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs in die KG ein. Der Nießbrauch wurde später wegen der Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht auf Beteiligungserträge, Erbbauzinsen und andere Surrogate erweitert. Aufgrund dieser vertraglichen Regelungen erhielt die Erblasserin Zahlungen von der KG, die Grundstücks-, Kapital- und Beteiligungserträge enthielten. Die KG erfasste diese Nießbrauchszahlungen in den Jahresabschlüssen, buchte sie auf einem Verrechnungskonto als Verbindlichkeiten und behandelte sie steuerlich als Betriebsausgaben.
In den Jahren bis 1973 erklärte die Erblasserin die Einkünfte aus der KG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Dabei setzte sie ausdrücklich als vorläufig bezeichnete Beträge an oder vermerkte „von Amts wegen berücksichtigen”. Im Übrigen verwies sie unter Angabe der dortigen Steuernummer auf das für die KG zuständige Betriebs-Finanzamt in Hamburg.
In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1974 gab die Erblasserin Beteiligungseinkünfte in Höhe von ca 86.000 DM bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb an; diese Summe umfasste den Betrag von etwa 50.000 DM, den die Erblasserin (zusätzlich zu den in den Vorjahren gemachten Angaben) mit dem Hinweis „Nießbrauch” versah. Für das Jahr 1975 erklärte sie unter Angabe der gleichen Informationen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Anteil am Gewinn der „(…) KG (Nießbrauch)” in Höhe von etwa 40.000 DM.
Im Jahr 1976 wurden die Einkünfte in gleicher Weise mit dem Hinweis „von Amts wegen berücksichtigen” wieder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt. Auf eine Anfrage des Beklagten teilte das Betriebs-Finanzamt der KG mit, dass bei dieser derzeit eine Betriebsprüfung durchgeführt werde. In den Erläuterungen zum Einkommensteuer-Bescheid teilte der Beklagte mit, dass die Beteiligungseinkünfte in Ermangelung einer Mitteilung über die anteiligen Einkünfte an der KG mit 50.000 DM geschätzt würden.
Für die Streitjahre (1977 bis 1982) reichte die Erblasserin Einkommensteuererklärungen bei dem Beklagten ein, und zwar für das Jahr 1977 am 11.12.1978, für das Jahr 1978 am 15.10.1979, für das Jahr 1979 am 19.12.1980, für das Jahr 1980 am 23.10.1981, für das Jahr 1981 am 6.12.1982 und für das Jahr 1982 am 2.4.1984. Hierin wurden die Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit dem Vermerk „von Amts wegen berücksichtigen” und dem Hinweis auf das Betriebs-Finanzamt von der Erblasserin erklärt.
Der Festsetzung der Einkommensteuer durch die Bescheide für das Jahr 1977 vom 6.11.1979, für das Jahr 1978 vom 5.12.1980, für das Jahr 1979 vom 12.3.1981 und für das Jahr 1980 vom 13.10.1983 legte der Beklagte bei den Einkünften der Erblasserin aus Vermietung und Verpachtung jeweils im Schätzungswege ermittelte Nießbrauchseinkünfte in Höhe von 50.000 DM zugrunde. Mitteilungen des Betrie...