Entscheidungsstichwort (Thema)
Feier des Arbeitgebers anlässlich einer Arbeitnehmer-Verabschiedung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 18/24)
Leitsatz (redaktionell)
Veranstaltet ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers einen Empfang, ist entgegen R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 € unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob es sich um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) oder um ein privates Fest des Arbeitnehmers handelt.
Normenkette
EStG § 19
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Inanspruchnahme der Klägerin im Wege der Lohnsteuerhaftung.
Die Klägerin ist ein Geldinstitut. Im Streitjahr trat der damalige Vorstandsvorsitzende der Klägerin, der Zeuge X, in den Ruhestand und schied aus dem Vorstand der Klägerin aus. Als Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden wurde Y berufen. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Klägerin im Streitjahr einen Empfang in den Geschäftsräumen ihrer Unternehmenszentrale in A. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war ein vom Verwaltungsrat bestimmtes Organisationsgremium insbesondere unter der Leitung einer Mitarbeiterin aus dem Personalbereich zuständig. Dieses erstellte die Einladungskarten und sprach die Einladungen auf der Grundlage einer unabhängig von der konkreten Veranstaltung zuvor nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten festgelegten Einladungsliste aus. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Klägerin, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des Zeugen X als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Klägerin auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor. Die Gesamtaufwendungen für den Empfang in Höhe von … € übernahm die Klägerin.
Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom … fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum … statt. Der Lohnsteueraußenprüfer kam u.a. zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang anlässlich der Verabschiedung des Zeugen X nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Klägerin eingeladen gewesen seien. Daher seien die Aufwendungen für den Empfang entsprechend der in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 Lohnsteuerrichtlinie (LStR) niedergelegten Verwaltungsauffassung dem Zeugen X als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Hierzu erklärte die Klägerin, dass nicht beabsichtigt sei, den Zeugen X in Regress zu nehmen. Für den Fall, dass Lohnsteuer nachzuerheben sei, gingen die Beteiligten insoweit übereinstimmend von einer Nettozahlung aus. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Lohnsteueraußenprüfung erließ der Beklagte am … einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer für die Jahre … . Darin setzte der Beklagte für die Übernahme der Kosten für die Veranstaltung vom … Haftungsbeträge für Lohnsteuern in Höhe von … €, Solidaritätszuschlag in Höhe von … € und Kirchensteuer in Höhe von … €, mithin insgesamt einen Betrag in Höhe von … € an.
Den gegen diesen Haftungs- und Nachforderungsbescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auch andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gehörten. Dazu zählten alle Einnahmen, die ein Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis erhalte. Die Zuwendung von Arbeitslohn sei anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfahre. Dies sei bei dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Fall, da der Empfang anlässlich seiner Verabschiedung nicht zustande gekommen wäre, wenn dieser nicht vorher der Klägerin seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hätte. Daneben trete die Präsentation seines Nachfolgers in den Hintergrund. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Regelung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR berufen, wonach übliche Sachleistungen eines Arbeitgebers bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers nicht als Arbeitslohn anzusehen seien, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um ein Fest des Arbeitgebers, also um eine betriebliche Veranstaltung handele. Nach dieser Verwaltungsvorschrift gehörten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des Arbeitnehmers nur die Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Abnehmers entfielen, wenn sie 110 € je t...