Leitsatz
Bestehen bei gemischt genutzten Gebäuden erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume, sind Vorsteuerbeträge nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen (Bestätigung der Rechtsprechung; s. Senatsurteil vom 10.08.2016 ‐ XI R 31/09, BFHE 254, 461; BFH-Beschluss vom 27.03.2019 ‐ V R 43/17, BFH/NV 2019, 719).
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Sätze 1, 2 und 3 UStG, Art. 173 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Buchst. c EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin errichtete in den Jahren 2009 und 2010 einen gemischt genutzten Gebäudekomplex (Stadtteilzentrum) mit einem Supermarkt, der umsatzsteuerpflichtig, sowie einer Senioren-Wohnanlage, die umsatzsteuerfrei verpachtet wird. Die Vorsteueraufteilung nahm sie zunächst nach dem Flächenschlüssel vor.
Nach einer Außenprüfung, die zu einer Reduzierung der nach dem Flächenschlüssel abziehbaren Vorsteuer führte, machte die Klägerin geltend, wegen der erheblichen Ausstattungsunterschiede der verpachteten Flächen sei der Umsatzschlüssel anzuwenden, so dass ca. 50 % der Vorsteuer abziehbar sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Vorinstanz (FG Nürnberg, Urteil vom 30.7.2019, 2 K 103/17, Haufe-Index 14058388, EFG 2020, 1728) entschied, das "Stadtteilzentrum" sei (ungeachtet seiner grundbuchrechtlichen Teilung) ein einheitliches Gebäude und die Eingangsleistungen seien trotz der erheblichen Ausstattungsunterschiede im Wesentlichen gleichartig.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und entschied, dass die Vorsteuer nach dem Umsatzschlüssel aufzuteilen sei. Die tatsächliche Würdigung des FG, dass das "Stadtteilzentrum"ein Gebäude sei, beanstandete er jedoch nicht. Das FG muss allerdings noch prüfen, in welcher Höhe die Vorsteuer abziehbar ist.
Hinweis
1. Der Leitsatz des Besprechungsurteils bestätigt an sich nur die darin zitierte ständige Rechtsprechung (s. auch BFH, Urteil vom 23.10.2019, V R 46/17, BFHE 267, 140, Rz. 29). Allerdings wird diese Rechtsprechung von der Finanzverwaltung (noch?) nicht angewendet. Den Finanzgerichten gehen darum die Streitfälle zur Vorsteueraufteilung nicht aus. Der Argumentation der Vorinstanz, mit Hilfe von durchschnittlichen Baukosten nach dem Baupreisindex (d.h. ohne Prüfung der im Streitfall tatsächlich angefallenen Herstellungskosten für jeden Gebäudeteil) in einer Art "minus mal minus gibt plus" trotz der erheblichen Ausstattungsunterschiede zur Anwendung des Flächenschlüssels zu gelangen, hat der BFH dabei eine Absage erteilt.
2. Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass die Klägerin einen Gebäudekomplex errichtet hat, der sich grundbuchrechtlich auf getrennten Grundbuchblättern befindet. Die Klägerin ging deshalb zunächst davon aus, dass sie zwei Gebäude errichtet habe. Die Vorinstanz hatte dies anders beurteilt und ging von einem Gebäude aus. Der BFH hielt diese Würdigung für revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine andere Würdigung durch das FG wäre aber m.E. mindestens genauso gut möglich gewesen. Die wesentliche Sachverhalts- und Argumentationsarbeit muss deshalb in der Tatsacheninstanz geleistet werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.11.2020 – XI R 7/20