Leitsatz
1. Die sich aus der Zusammenveranlagung von Ehegatten ergebende Gesamtschuld wird durch die Aufteilung gem. §§ 268 ff. AO für die Zwecke der Vollstreckung in Teilschulden aufgespalten.
2. Bei aufgeteilter Gesamtschuld begründet § 278 Abs. 2 Satz 1 AO im Fall unentgeltlicher Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten eine dem Anfechtungsgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. entsprechende gesetzliche Duldungspflicht des Zuwendungsempfängers für den auf den Zuwendenden entfallenden Anteil an der Steuerschuld. Der Bescheid nach § 278 Abs. 2 AO entspricht inhaltlich einem Duldungsbescheid i.S.d. § 191 AO. Die Regelung dieses Bescheids liegt in der Anfechtung der Vermögensübertragung und in der Bestimmung des Betrags, bis zu dessen Höhe der Zuwendungsempfänger die Vollstreckung dulden muss.
3. Wechseln zusammenveranlagte Ehegatten nach Aufteilung der Gesamtschuld und Einleitung der Vollstreckung nach § 278 Abs. 2 AO zur getrennten Veranlagung, berührt dies den zu vollstreckenden (Steuer-)Anspruch grundsätzlich nicht. Deshalb sind weder der auf § 278 Abs. 2 AO gestützte Verwaltungsakt noch die darauf gegründeten Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben.
4. Nach Ergehen der Bescheide über die getrennte Veranlagung ist indes die Vollstreckung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. i.V.m. § 7 AnfG a.F. fortzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Bescheid nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO innerhalb der Anfechtungsfrist des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. ergangen ist.
Normenkette
§ 191 AO , §§ 268 ff. AO , § 278 Abs. 2 Satz 1 AO , § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. , § 7 AnfG a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin war mit ihrem Ehemann zunächst zusammen zur ESt 1991 veranlagt worden. Dagegen legten beide Einspruch ein. Bei antragsgemäßer Aufteilung der festgesetzten ESt 1994 ergab sich für die Klägerin eine Steuer von 0 DM. Die Vollstreckung der ESt gegen ihren Ehemann blieb erfolglos.
Das FA vollstreckte daraufhin gegen die Klägerin. Nachfolgend erließ es 1995 gegen die Klägerin einen auf § 278 Abs. 2 AO gestützten Bescheid und machte geltend, ihr Ehemann habe ihr Vermögen im Wert von rund 22 Mio. DM unentgeltlich übertragen. Gegen diesen Bescheid und gegen die Vollstreckungsverfügungen wurde Klage erhoben.
Während des Klageverfahrens gingen die Eheleute 1998 zum Antrag auf getrennte Veranlagung über, die das FA auch vornahm. An seinen Vollstreckungsmaßnahmen hielt es jedoch fest. Das FG hob diese indes nach § 257 AO ebenso wie den Bescheid nach § 278 Abs. 2 AO auf. Das hat aber nicht die Billigung des BFH gefunden.
Entscheidung
1. Die Entscheidung des BFH verblüfft zunächst dadurch, dass sie ohne weiteres auf eine Anfechtungsklage hin, um die es sich nach Klageantrag und Entscheidungsausspruch des FG unzweideutig handelte, die Voraussetzungen des § 257 AO prüft, die allenfalls während des bereits anhängigen Anfechtungsrechtsstreits eingetreten sein konnten. § 257 AO verpflichtet das FA, Vollstreckungsmaßnahmen u.a. dann aufzuheben, wenn der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird. Das ist grundsätzlich durch eine Verpflichtungsklage geltend zu machen (die Vollstreckungsmaßnahmen werden ja häufig – wenn sie nicht, wie hier, zufällig aus einem ganz anderen Grund als den in § 257 AO genannten angefochten worden sind – bereits bestandskräftig sein, wenn die Gründe eintreten, aus denen der Festsetzungs-VA aufgehoben werden muss).
Eine Klageänderung, die deshalb nahe gelegen hätte, hatte die Klägerin ersichtlich nicht vorgenommen und überdies jedenfalls das FG weder angenommen noch für sachdienlich erklärt, was ihm auch ohne die nicht (wie erforderlich: ausdrücklich) erklärte Zustimmung des FA zu der in diesem Fall vorliegenden Sprung-Verpflichtungsklage hätte schwer fallen müssen. Im Revisionsverfahren wäre eine Klageänderung ohnehin unzulässig gewesen (§ 123 Abs. 1 FGO).
2. In der Sache selbst hat der BFH entschieden, die Pfändungsmaßnahmen seien trotz Wegfalls des Zusammenveranlagungsbescheides nicht nach § 257 AO aufzuheben. Die gegen die Gesamtschuldnerin eingeleitete, damals auf § 278 Abs. 2 AO gestützte Vollstreckung könne vielmehr nach Übergang zur getrennten Veranlagung nach Maßgabe der Vorschriften des § 3 Nr. 4 AnfG a.F. (jetzt: AnfG n.F.) unter Beachtung der insofern bestehenden Beschränkungen fortgesetzt werden. Voraussetzung dafür soll offenbar sein, dass die Anwendung des § 278 Abs. 2 AO durch Bescheid geltend gemacht worden ist; der BFH sieht darin eine "Regelung, ... dass die Behörde zu erkennen gibt, dass sie die betreffenden Vermögensübertragungen nicht gelten lassen ... will".
An die Frist für eine Schenkungsanfechtung mag der BFH freilich einen solchen Bescheid nicht binden, was erforderlich wäre, wenn man ihn in einen Duldungsbescheid im Sinn des § 191 AO, § 3 AnfG umdeuten wollte; den BFH stört in seiner Gedankenführung auch nicht, dass das FA bei Erlass des Bescheids nach § 278 Abs. 2 AO an die – schon damals gegebene Möglichkeit – einer Schenkungsanfechtung (und Vollstreckung aus der Schuld des Ehemanne...