Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Sonderzuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL kommt in der Regel nicht in Betracht, wenn im Rahmen landwirtschaftlicher Bodennutzung einzelstehende Bäume eingeschlagen werden.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1; VOL § 9 Abs. 2; GDL 8
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) ist nichtbuchführender Landwirt. Der Gewinn wird nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) ermittelt. Der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs beträgt 41.700 DM. Im Wirtschaftsjahr 1948 / 1949 erzielte der Bg. aus dem Einschlag von 40- bis 45-jährigen Pappeln, die verstreut auf Weiden und entlang von Feldwegen, Hecken und Gräben gestanden hatten, einen Erlös von 8.982 DM. Das Finanzamt machte einen Zuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL in Höhe von 8.430 DM, den es in der Weise ermittelte, daß es von dem Erlös von 8.982 DM die Einschlagkosten mit 552 DM kürzte. Im Einspruchsverfahren wurde der Zuschlag auf 7.982 DM herabgesetzt. Das Finanzamt wollte mit der weiteren Kürzung dem Umstand Rechnung tragen, daß durch den Pappelbestand der laufende Ertrag aus der Feldbestellung möglicherweise gemindert worden war.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Bei der Einheitsbewertung des landwirtschaftlichen Besitzes sei der Pappelbestand nicht durch einen Zuschlag berücksichtigt worden (§ 31 Abs. 4 des Reichsbewertungsgesetzes - RBewG - in Verbindung mit Abschn. B II 3 des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 28. Februar 1935, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1935 S. 418). Trotzdem könne die Pappelnutzung nicht durch einen Sonderzuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL erfaßt werden. Die Durchschnittsbesteuerung nach der VOL knüpfte an den Einheitswert an. Nach § 7 VOL seien nachhaltige Betriebseinnahmen, die bei der Feststellung des Einheitswerts nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, durch Zuschläge zu berücksichtigen. Das gleiche gelte für einmalige Sondereinnahmen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 147/50 U vom 22. August 1951, Slg. Bd. 55, S. 455, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 183). Nach dem Zweck der Durchschnittsbesteuerung könnten aber nur Einnahmen zu einem Zuschlag führen, die im Einheitswert nicht erfassbar gewesen seien. Da die Pappeln bei der Einheitsbewertung 1935 bereits vorhanden gewesen seien, hätte, wenn die Finanzbehörden dem Bestand eine besondere Bedeutung beigemessen hätten, ein Zuschlag zum Vergleichswert gemacht werden können (§ 40 RBewG). Wie aber aus Abschn. B II 3 des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 28. Februar 1935 (RStBl. 1935 S. 418) hervorgehe, sei man bei der Einheitsbewertung 1935 offensichtlich davon ausgegangen, daß die Erlöse aus dem Einschlag einzelner Bäume sich auf die Dauer im wesentlichen mit dem Flächenertrag bei üblicher landwirtschaftlicher Nutzung decken würden, oder daß jedenfalls die Abweichung in der Nutzung wirtschaftlich nicht ins Gewicht falle. Solange nicht eine Neubewertung durchgeführt sei, müsse die Finanzverwaltung diese ihre frühere Beurteilung auch bei der VOL-Besteuerung gegen sich gelten lassen. Dagegen könne auch nicht geltend gemacht werden, daß vor der Einführung der VOL-Besteuerung (1935 / 1936) nur die tatsächlichen Einkünfte aus Holzverkauf versteuert worden seien, und daß daher mindestens die durch den Zuwachs der Pappeln in den vorhergehenden Wirtschaftsjahren (etwa seit 1910) eingetretenen Wertsteigerungen durch einen Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL erfaßt werden müßten. Wenn die Finanzverwaltung den Zuwachs vor Inkrafttreten der VOL hätte erfassen wollen, so hätte sie es durch einen Zuschlag gemäß § 40 RBewG tun können. Es hätte im übrigen dem Bg. auch freigestanden, den Einschlag laufend im geringeren Maß vorzunehmen; er wäre dann ohne weiteres freigeblieben. Andere Gründe für einen Zuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL lägen nicht vor, insbesondere seien die Pappeln nicht zu überhöhten Preisen verkauft worden. Wegen der allgemeinen Erhöhung der Holzpreise könne ein Zuschlag nicht gemacht werden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, mit der er sich nur gegen die Absetzung des Zuschlags wendet, ist nicht begründet.
Ein Zuschlag könnte, wenn er überhaupt in Betracht käme, nur auf § 9 Abs. 2 VOL gestützt werden. Denn nachhaltige Betriebseinnahmen im Sinne des § 7 VOL liegen zweifellos nicht vor. In dem vom Finanzgericht angeführten Urteil IV 147/50 U vom 22. August 1951 (Slg. Bd. 55 S. 455, BStBl. III S. 183) hat der Senat ausgesprochen, daß, wie bei § 7 VOL, auch bei § 9 Abs. 2 VOL Zuschläge nur für Betriebseinnahmen in Betracht kommen, die bei der Feststellung des Einheitswerts nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Das Finanzgericht geht weiter und stellt nicht darauf ab, ob die Einnahmen bei der Einheitsbewertung tatsächlich erfaßt worden sind, sondern ob sie erfaßt werden konnten. Der Senat braucht zu dieser Frage nicht abschließend Stellung zu nehmen. Denn es ist für den Streitfall davon auszugehen, daß die Ertragsfähigkeit des Betriebs, soweit sie in der Holznutzung besteht, im Einheitswert berücksichtigt worden ist. Die Holznutzung ist hier nicht, wie z. B. im Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 450/53 S vom 10. Juni 1954 (BStBl. III S. 231), im Rahmen einer der Landwirtschaft eingegliederten Forstwirtschaft angefallen. Es handelt sich vielmehr um eine unmittelbare Nutzung innerhalb der Landwirtschaft und aus der der Landwirtschaft dienenden Bodenfläche. Nach § 31 des Bewertungsgesetzes (BewG) sind die landwirtschaftlichen Betriebe nach ihrer Ertragsfähigkeit bewertet worden. Bei der Beurteilung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit waren alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Wirtschaftserfolg von Einfluß sind, oder von denen die Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse abhängig ist. Da die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen durch einzelstehende Pappeln offenbar im Bezirk des Steuerpflichtigen üblich ist, mußte dieser Umstand, da er die Ertragsfähigkeit der dortigen landwirtschaftlichen Betriebe beeinflußt, unmittelbar bei der Festsetzung des Einheitswerts berücksichtigt werden. Hatte ein Betrieb einen gegenüber den anderen Betrieben des Bezirks nach Umfang, Alter usw. ungewöhnlichen Baumbestand, so konnte deshalb ein Zuschlag oder Abschlag beim Vergleichswert in Betracht kommen (§§ 37 Satz 2, 40 BewG). Da im Streitfall ein Zuschlag oder Abschlag unstreitig nicht gemacht worden ist, kann davon ausgegangen werden, daß beim Betrieb des Steuerpflichtigen keine außergewöhnlichen Verhältnisse vorlagen. Unter dieser Voraussetzung sind aber die Erlöse aus dem Pappeleinschlag im VOL- Grundbetrag abgegolten. Da die Betriebseinnahmen aus der Pappelnutzung schon beim Einheitswert berücksichtigt sind, ist ein Sonderzuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL nicht zulässig. Eine Holzernte der hier streitigen Art fällt zwar nicht, wie bei der sonst üblichen landwirtschaftlichen Bodennutzung, jährlich, sondern nur in langen Zwischenräumen an. Dieser Umstand ist aber für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Weil die Ertragsfähigkeit des Bodens durch Baumbestand im Einheitswert berücksichtigt ist, muß der Steuerpflichtige auch in den Jahren, in denen keine Holznutzung anfällt, im VOL-Grundbetrag einen gewissen Ertrag versteuern. Der gleiche Ertrag wird auch nach dem Einschlag der Pappeln weiter im VOL-Grundbetrag erfaßt, solange der bisherige Einheitswert nicht herabgesetzt wird. Es kann für die rechtliche Beurteilung auch nicht erheblich sein, ob der Steuerpflichtige innerhalb eines längeren Zeitraums laufend kleinere Holzmengen einschlägt oder ob er, wie hier, einmal einen großen Einschlag macht.
Das Finanzgericht beruft sich auf Abschn. B II 3 des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 28. Februar 1935 (RStBl. 1935 S. 418) und ist der Auffassung, daß das Finanzamt einen Sonderzuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL nicht festsetzen könne, weil es bei der Einheitsbewertung bewußt auf einen Zuschlag wegen des Pappelbestands verzichtet habe. Es erübrigt sich, auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen abschließend einzugehen. Denn er befaßt sich mit der Bewertung von Obstanlagen und bestimmt, daß einzelstehende Obstbäume nicht besonders zu bewerten, sondern im ha-Satz zu berücksichtigen seien. Wahrscheinlich liegt dieser Sonderanweisung der allgemeine Gedanke zugrunde, daß die Nutzung einzelstehender Bäume nicht zusätzlich zur Bodennutzung hinzutrete, sondern eine Form der Bodennutzung sei und deshalb im ha-Satz berücksichtigt werden müsse. Wird der Boden durch Bäume genutzt, so wird in der Regel erfahrungsgemäß eine andere Bodennutzung unmöglich gemacht oder stark gemindert. Diesen Gedanken hat auch das Finanzamt anerkannt, indem es im Einspruchsverfahren den Sonderzuschlag herabsetzte, weil durch den Baumbestand der laufende Bodenertrag gemindert worden sei. Für den Umfang der eingetretenen Minderung hat das Finanzamt allerdings keine Anhaltspunkte anführen können. Im übrigen sei noch darauf hingewiesen, daß, obwohl die Bodennutzung durch Bäume oft sogar weniger ertragreich ist als andere Formen der Bodennutzung, infolge der besonderen betrieblichen, klimatischen oder Bodenverhältnisse die Nutzung des Bodens durch Bäume unter Umständen unvermeidlich ist.
Andere Umstände, die einen Sonderzuschlag rechtfertigen könnten, z. B. überhöhte Verkaufserlöse, hat das Finanzgericht nicht festgestellt. Die allgemeine Erhöhung der Holzpreise kann aber nicht zu einem Zuschlag führen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 450/53 S vom 10. Juni 1954 a. a. O.). Die Tatsache, daß bei der Einführung der VOL-Besteuerung (1936) die Pappeln bereits etwa 25 Jahre alt waren, rechtfertigt, wie das Finanzgericht zutreffend annimmt, auch keinen Sonderzuschlag. Es mag zwar zutreffen, daß infolge der Richtsatzbesteuerung, die bis zur Einführung der VOL- Besteuerung allgemein durchgeführt wurde, der Holzzuwachs im Gewinn nicht berücksichtigt wurde. Die VOL gibt aber keinen Anhalt, daß solche aus der änderung der Gewinnermittlungsform sich ergebenden Auswirkungen bei der VOL-Besteuerung berücksichtigt werden sollen. Der erste Zweck der VOL ist, die Besteuerung für die große Zahl kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe zu vereinfachen. Hätte die VOL die aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsform sich ergebenden Folgen berücksichtigen wollen, so wäre eine entsprechende übergangsbestimmung getroffen worden. § 9 Abs. 2 VOL ist jedenfalls nicht als übergangsvorschrift gedacht. Im übrigen ist anzunehmen, daß bei der Feststellung des Einheitswerts auch das Alter des Pappelbestandes im Vergleichswert seinen Ausdruck gefunden hat.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408119 |
BStBl III 1955, 98 |
BFHE 1955, 250 |
BFHE 60, 250 |