Leitsatz (amtlich)
Der Pflichtteilsberechtigte steht für die Anwendung des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Vertriebene vom 7. Januar 1958 (GVBl 1958, 10) nicht dem Erben gleich.
Normenkette
NRW. GrEStVertrG § 1 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger hat am 14. April 1964 zum Preis von 300 000 DM ein in Nordrhein-Westfalen belegenes Grundstück gekauft. Er ist Sohn eines Heimatvertriebenen Großgrundbesitzers; sein verstorbener Vater hatte ihn durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen. Das maßgebende Testament ist nach Behauptung des Klägers erst nach Kriegsende errichtet worden.
Das FA hatte zunächst aus dem Kaufpreis von 300 000 DM die Grunderwerbsteuer in Höhe von 21 000 DM festgesetzt. In der Einspruchsentscheidung hat es die Steuer auf 17 500 DM ermäßigt, weil der Kläger selbst Vertriebener ist; die Kürzung der Besteuerungsgrundlage um 50 000 DM beruht auf dem Erlaß des Nordrhein-Westfälischen Finanzministers vom 18. Dezember 1958 - S 4545 - 23 700/VC - 3.
Der Kläger beansprucht Grunderwerbsteuerfreiheit auf Grund des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Vertriebene vom 7. Januar 1958 (GVBl 1958, 10) - GrEStVertrG -; er ist der Ansicht, der Pflichtteilsberechtigte sei bei sinnvoller Auslegung des § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes dem Erben gleichzustellen. Das Finanzgericht hat seine Anfechtungsklage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das gesamte Landesgesetz bezweckt ausweislich § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 den Grundstückserwerb Vertriebener und Heimatvertriebener in einem dem "Verlust des Grundbesitzes als Vertreibungsschaden" entsprechenden Umfang zu begünstigen. Ein Vertreibungsschaden, der nicht in verlorenem Grundbesitz besteht, ist für dieses Gesetz unerheblich. Es begünstigt grundsätzlich nur solche Vertriebenen, welche - sei es auch im Gesamthandseigentum (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GrEStVertrG) stehenden - Grundbesitz verloren und sich dafür durch Erwerb anderen Grundbesitzes Ersatz geschaffen haben (§ 1 Abs. 1 GrEStVertrG). Eine Ausnahme gilt nur für den Erben einer solchen Person (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 Satz 1 GrEStVertrG), weil dieser dessen Grundbesitz, wenn er nicht verlorengegangen wäre, als Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen (§ 1922 BGB) erworben hätte.
Die Vergünstigung für den Vertreibungsschaden an Grundstückseigentum und gleichstehenden Rechten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GrEStVertrG) ist also in einem gewissen Sinne "vererblich". Gerade darum kann sie aber nicht dem Pflichtteilsberechtigten zugute kommen, weil diesem nur ein Geldanspruch zusteht (§ 2303 BGB), er also nicht in die Grundstücksnachfolge eingerückt wäre. Der Umstand, daß sein Pflichtteil möglicherweise durch Grundstücke abgefunden worden wäre, schafft so wenig einen Befreiungsgrund im Sinne des genannten Landesgesetzes wie der Umstand, daß ein Vertriebener, der keine Grundstücke besaß, solche möglicherweise erworben hätte, wenn er nicht vertrieben worden wäre. Nicht erheblich ist auch, daß das Testament, auf Grund dessen der Kläger als gesetzlicher Erbe (§ 1924 Abs. 1 BGB) von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, erst nach der Vertreibung errichtet worden ist; denn es kommt weder auf den Zeitpunkt noch auf die Gründe des Ausschlusses von der Erbfolge an, sondern allein auf die dingliche Berechtigung an dem verlorenen Grundbesitz.
Daher läßt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des Befreiungsgesetzes ein "Prinzip herleiten, wonach der vorliegende Sachverhalt zugunsten des Klägers entschieden werden" könnte. Die vom Kläger gewünschte Analogie scheitert vielmehr an der Übereinstimmung des Zwecks der steuerrechtlichen Begünstigung mit der bürgerlichen Rechtslage.
Fundstellen
Haufe-Index 70697 |
BStBl II 1974, 40 |
BFHE 1974, 429 |