Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Fahrten eines Unternehmers zwischen seiner Wohnung und der Einrichtung eines Kunden unterliegen nur dann den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, wenn der Unternehmer in der Einrichtung des Kunden eine eigene Betriebsstätte unterhält. Dies gilt selbst dann, wenn er lediglich für einen Kunden tätig wird.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war als Einzelunternehmer im Bereich EDV- Organisation und Software - Entwicklung für einen einzigen Kunden tätig. Streitig war, ob die Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb des Kunden als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte anzusehen waren, die den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Kostenabzug nur in Höhe der Entfernungspauschale) unterfallen. Dem Steuerpflichtigen wurde bei seinem Auftraggeber zeitweise ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt, über den er aber nicht frei verfügen konnte. Denn es war ihm nicht erlaubt, an diesem Arbeitsplatz seinen betrieblichen Belangen (z. B. Postbearbeitung, Buchhaltung, Schriftverkehr, Steuererklärungen) nachzugehen oder mit anderen Kunden zu telefonieren oder Arbeiten für diese durchzuführen. Selbst seine Programmentwicklungen konnte er dort nicht pflegen und erweitern. Das Finanzamt sah den dortigen Arbeitsplatz als Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO an und berücksichtigte die Fahrtkosten lediglich in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben.
Entscheidung
Das FG sah dies jedoch anders und gab der Klage statt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG war im Streitfall deshalb nicht anwendbar, weil der Steuerpflichtige bei seinem Auftraggeber keine Betriebsstätte hatte. Betriebsstätte ist nach § 12 Satz 1 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Eine Betriebsstätte i. S. von § 12 Satz 1 AO wird jedoch nicht schon dadurch begründet, dass dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Zu einer Betriebsstätte wird dieser nur dann, wenn der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Einrichtung hat. Das bloße Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen nicht, um die erforderliche Verfügungsmacht zu begründen. Das gilt selbst dann, wenn die Tätigkeit zeitlich wiederholt und sogar dauerhaft erbracht wird. Neben der zeitlichen Komponente müssen vielmehr zusätzliche Umstände auf eine örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen. Denn für die Begründung einer Betriebsstätte ist letztlich entscheidend, ob eine unternehmerische Tätigkeit in einer Geschäftseinrichtung oder Anlage mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt. Zwar wurde bislang der Begriff der Betriebsstätte im Zusammenhang mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG abweichend vom Normzweck und Verständnis des § 12 AO ausgelegt. Dieser Grund ist jedoch entfallen mit der Folge, dass § 12 AO für die Auslegung des Betriebsstättenbegriffs, wie er in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG verwendet wird, ohne Einschränkung heranzuziehen ist, weil der für die Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zuständige VI. Senat des BFH in nunmehr ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG darstellt (so z. B., BFH, Urteil v. 9.2.2012, VI R 22/10, BStBl 2012 II S. 827).
Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer jahrelang bei einem bestimmten Kunden seines Arbeitgebers tätig gewesen sein sollte, weil der Arbeitnehmer - angesichts der Ungewissheit, wie lange die vertragliche Beziehung zwischen seinem Arbeitgeber und dessen Kunden andauert - sich darauf typischerweise nicht einstellen kann, so dass er den Aufwand für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht durch eine Wohnsitznahme in der Nähe der Betriebsstätte des Kunden seines Arbeitgebers reduzieren kann. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Arbeitgeber in der Betriebsstätte des Kunden über eine eigene betriebliche Einrichtung verfügt.
Diese Rechtsprechung zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist nach Auffassung des FG Düsseldorf gerade angesichts der von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG bezweckten Gleichbehandlung der Fahrtaufwendungen von Unternehmern und Arbeitnehmern entsprechend auf Aufwendungen im betrieblichen Bereich anzuwenden.
Hinweis
Die nur konsequente Sichtweise des FG hat zur Folge, dass Fahrten eines Unternehmers zwischen der Wohnung und einer Einrichtung eines Kunden nur dann Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift darstellen, wenn der Unternehmer in der Einrichtung des Kunden eine eigene Betriebsstätte i. S. von § 12 AO unterhält. Selbst wenn der Unternehmer - lediglich für einen Kunden tätig ist, ist es ihm - wie einem Arbeitnehmer, der für ...