Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensteuer auf den 1. Januar 1996
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte veranlagte die Klägerin durch Bescheid vom 3. April 1997 (Nachveranlagung) auf den 1. Januar 1996 zur Vermögensteuer. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid Einspruch ein, mit dem sie geltend machte, daß die Festsetzung von Vermögensteuer nach Ablauf des Jahres 1996 verfassungswidrig sei. Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 22. August 1997 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben, mit der sie an ihrer im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung festhält.
Sie beantragt,
- den Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1996 vom 3. April 1997 und die Einspruchsentscheidung vom 22. August 1997 aufzuheben,
- hilfsweise, das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Verfahren 1 BvR 1831/97 anzuordnen bzw. die Verhandlung bis zu einer klarstellenden Entscheidung des BVerfG auszusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 15. Oktober 1997 Bezug genommen.
Der Senat hat die den Streitfall betreffenden Akte des Beklagten beigezogen.
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtene Steuerfestsetzung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nach dem 31. Dezember 1996 erfolgt ist. Vermögensteuerfestsetzungen nach dem 31. Dezember 1996 für Veranlagungsstichtage bis zum 1. Januar 1996 sind insbesondere nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zu den Einwänden der Klägerin in seinem Beschluß vom 18. Juni 1997 (II B 33/97, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1997, 515) folgendes ausgeführt:
„Der Beschluß des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BStBl II 1995, 655) steht einer nach dem 31. Dezember 1996 erfolgten Festsetzung von Vermögensteuer auf vor dem 31. Dezember 1996 liegende Veranlagungszeitpunkte nicht entgegen.
1. …
2. Der Tenor der Entscheidung des BVerfG in BStBl II 1995, 655, der nach § 31 Abs. 2 i. V. m. § 13 Nr. 11 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) Gesetzeskraft hat (BGBl I 1995, 1191), lautet:
„1. § 10 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes vom 17. April 1974 (Bundesgesetzbl. I Seite 949) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (Bundesgesetzbl. I Seite 2467), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 1994 (Bundesgesetzbl. I Seite 2325), ist jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum 1983 in allen seinen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar, als er den einheitswertgebundenen Grundbesitz, dessen Bewertung der Wertentwicklung seit 1964/74 nicht mehr angepaßt worden ist, und das zu Gegenwartswerten erfaßte Vermögen mit demselben Steuersatz belastet.
2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar. Setzt die Neuregelung eine allgemeine Neubewertung von Besteuerungsgrundlagen voraus, so kann der Gesetzgeber für deren Dauer – längstens für fünf Jahre seit der Verkündung des Gesetzes – Übergangsregelungen treffen, die die vermögensteuerliche Belastung an die verfassungsrechtlichen Maßstäbe dieser Entscheidung annähern; dabei darf er eine teilweise Fortgeltung der bisherigen Vorschriften anordnen.”
Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG zwar im beschriebenen Umfang die (materielle) Unvereinbarkeit des VStG mit dem Grundgesetz (GG) festgestellt, eine Nichtigkeitserklärung – wie dies § 82 Abs. 1 i. V. m. § 78 BVerfGG vorsieht – aber nicht ausgesprochen. Folge einer Nichtigkeitserklärung durch das BVerfG wäre es gewesen, daß die geprüfte Rechtsnorm mit Wirkung ab dem festgestellten Zeitpunkt der Normenkollision – für die Vermögensteuer mithin „jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum 1983” – keine Rechtsgeltung mehr gehabt hätte, insbesondere belastende Verwaltungsakte auf sie nicht mehr hätten gestützt werden können (vgl. Stern in Bonner Kommentar, Grundgesetz, Art. 93 Tz. 271 f.; Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozeßrechts, Tz. 1165 f.).
Die Folgen einer bloßen Erklärung der Unvereinbarkeit der geprüften Rechtsnorm mit dem GG sind hinsichtlich deren (weiteren) Anwendbarkeit dagegen strittig (vgl. die Darstellung bei Söhn, Anwendungspflicht oder Aussetzungspflicht bei festgestellter Verfassungswidrigkeit von Gesetzen?, 1974; Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 93 Rdnr. 39 f.). Diese Problematik wird jedoch durch den Beschluß des BVerfG hinsichtlich der Vermögensteuer nicht aufgeworfen, da das BVerfG im Tenor seiner Entscheidung (Nr. 2 Abs. 1 Satz 2) ausdrücklich das für verfassungswidrig erkannte Recht über den Zeitpunkt seiner Entscheidung hinaus für anwendbar erklärt hat. Bei einer derartigen im Tenor der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ausdrücklich getroffenen Anordnung steht die verfassung...