Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht - Gemeinsamer Zolltarif: Zum Rechtschutzbedürfnis bei Erteilung einer vZTA für Ausfuhrzwecke und zur Einreihung von selbstklebenden Aufreißstreifen aus Kunststoff als "Erzeugnisse des Abschnitts XI (Spinnstoffe und Waren daraus)"
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine vZTA für Ausfuhrzwecke erteilt, liegt gerichtliches Rechtschutzbedürfnis nur vor, wenn einerseits die Einreihung der Ware unmittelbare Grundlage für zolltariflich relevante Maßnahme der Zollbehörden sein kann und andererseits ein wirtschaftliches Interesse des Wirtschaftsbeteiligten an der Erteilung der vZTA besteht.
2. Bei der Auslegung einer Position, Unterposition oder Anmerkung der KN (hier: Anmerkung 2 Buchst. p) zu Kap. 39 KN) sind andere Sprachfassungen der KN ein hilfreiches und maßgebliches Auslegungsmittel.
3. Weist eine Anmerkung (hier: Anmerkung 2 Buchst. p) zu Kap. 39 KN) alle Waren eines anderen Abschnitts der KN aus einem Kapitel (oder Abschnitt) der KN aus, ist es für die Anwendung dieser Ausweisungsanmerkung erforderlich, dass die einzureihende Ware in eine konkrete Position oder Unterposition des in der Ausweisungsanmerkung in Bezug genommen Abschnitts der KN eingereiht werden kann.
4. Für eine Einreihung von Waren als "Erzeugnisse des Abschnitts XI KN (Spinnstoffe und Waren daraus)" in die Position 5404 KN, die ausschließlich textile Materialien in Rohstoffform beinhaltet, ist es erforderlich, dass, unabhängig von der tatsächlichen Verwendung der einzureihenden Ware, auf Grund ihrer objektiven Eigenschaften eine weitere Verarbeitung im textilen Bereich möglich ist.
Normenkette
UZK Art. 5 Nr. 16 Buchst. c, Art. 33 Abs. 2, 1 UAbs. 2 Buchst. b; KN UPos. 3919 10 80; KN Pos. 5404; KN Pos. 5604; Verordnung (EU) Nr. 833/2014 Art. 3k Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Einreihung der Ware "selbstklebende Aufreißstreifen der Marke X" aus Kunststoff, mit einer Breite von bis zu 5 mm.
Die Klägerin produziert die einzureihende Ware in Deutschland und exportiert diese in zahlreiche Länder, darunter auch die Russische Föderation (Russland).
Bei der Ware handelt es sich um einen 1,6 mm bis zu 5 mm breiten Streifen aus Kunststofffolie (Material: Polypropylen) in einer Stärke von 26 µm bis 40 µm. Der Kunststoffstreifen ist auf der einen Seite mit einem (nicht mit bloßem Auge wahrnehmbaren) wasserbasierten Klebstoff auf Polyacrylatbasis beschichtet und auf der anderen Seite mit einer dünnen Silikonschicht versehen, die ein Verkleben verhindert, wenn die Ware aufgerollt wird. Zwischen der Kunststofffolie und der Klebeschicht kann sich darüber hinaus eine Druckschicht mit vollflächigem oder partiellem Farbdruck (z. B. Goldlinie oder Schriftzug) befinden. Die Ware ist auf eine Spule aus Kunststoff aufgerollt.
Abnehmer für die vorliegende Ware sind beispielsweise Unternehmen der Zigarettenindustrie, Hersteller von CDs/DVDs oder Unternehmen der Süßwarenindustrie. Die Ware wird dort eingesetzt, um Umverpackungen aus Kunststofffolie öffnen zu können. Hierzu wird die Ware auf die Umverpackung aufgebracht und geht mit dieser auf Grund ihrer selbstklebenden Eigenschaft eine feste Verbindung ein, so dass die Umverpackung mit dem Aufreißstreifen später aufgerissen werden kann.
Die Klägerin stellt die streitbefangene Ware in Deutschland her. Sie bezieht hierfür zunächst Polypropylenfolien in der gewünschten Stärke von einem Drittunternehmen. Von diesem Drittunternehmen wird die Folie aus Kunststoffgranulaten hergestellt, die in einem Dosiersystem gemischt und in einem sog. Cast-Extruder unter hoher Temperatur geschmolzen werden. Im Anschluss wird das Material über eine breitschlitzförmige Düse auf eine wassergekühlte Walze gepresst, wo die so hergestellte dünne Folie zunächst abkühlt. Anschließend wird diese dünne, bis zu 3m breite Folie erneut erhitzt, um gereckt zu werden, wodurch die Reißfestigkeit der Folie erhöht wird. Anschließend wird die Folie geschnitten und aufgerollt Im Werk der Klägerin wird die in großen Rollen gelieferte Folie, die zu diesem Zeitpunkt bis zu 1,2 m breit ist, weiterbearbeitet, indem zunächst die oben genannten Schichten aufgetragen werden. Als Erstes wird auf der einen Seite die Farbschicht (z.B. Goldstreifen oder Schriftzug) aufgebracht, wenn der Endabnehmer dies wünscht. Danach folgt, ggf. über der Farbschicht, der Auftrag der Klebstoffschicht mit einem Kleberauftragsgewicht zwischen 6 und 11 g/qm, und dann auf der anderen Seite der Folie der Auftrag der sehr dünnen Silikonschicht mit einem Auftragsgewicht zwischen 0,10 und 0,14 g/qm. Anschließend wird die Folie in Streifen mit einer Breite von 1,6 mm bis maximal 15 mm geschnitten, mit einer Lauflänge von 3.000 m bis 120.000 m auf Rollen gewickelt und als Rollenware durch die Klägerin vertrieben.
Am 8. Dezember 2022 beantragte die Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für die Ware "selbstklebende Aufreißstreifen der Marke X" mit einer Breite von 1,6 mm bis 15 mm und schlug eine Einreihung in die UPos. 3919 1080 KN ("Streife...