Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsamer Zolltarif: Zur Einreihung von Gleitbelägen für Bandschleifmaschinen aus Graphit Bestrichene oder überzogene GewebeTeile- und Zubehörbegriff in der KN
Leitsatz (amtlich)
1. Spezielle Kollisionsregelungen zur Auflösung von Positionskonkurrenzen, die in den Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln der KN geregelt sind (hier: Anmerkung 1 Buchst. c) zu Kap. 68 KN) gehen den Regelungen in den AV vor.
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein bestrichenes oder überzogenes Gewebe des Kap. 59 KN vorliegt (vgl. Anmerkung 1 Buchst. c) zu Kap. 68 KN), ist der Herstellungsprozess des Textilerzeugnisses ein wesentliches Kriterium. Dagegen spielt die Stärke des Überzugs im Verhältnis zur Stärke des unterliegenden Gewebes regelmäßig nur eine untergeordnete Rolle.
3. Für eine Einreihung als Teil für eine bestimmte Maschine (hier: Bandschleifmaschine) ist neben der Erkennbarkeit der ausschließlichen oder hauptsächlichen Bestimmung für die Maschine auch Voraussetzung, dass das Teil unabdingbar ist für das technische und elektrische Funktionieren der Maschine.
4. Für eine Einreihung als Zubehör für eine bestimmte Maschine (hier: Bandschleifmaschine) ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Maschine durch das Zubehör in die Lage versetzt wird, eine andere Tätigkeit als diejenige auszuführen, für welche die Maschine eigentlich bestimmt ist.
Normenkette
KN Pos. 5907; KN Pos. 6815; KN Pos. 6813; KN Pos. 8466
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA), mit welcher der Beklagte die Ware "Graphit-Gleitbelag als Rollenware" in die Unterposition 5907 0000 90 (TARIC) einreihte.
Die Klägerin führt die streitbefangene Ware, die als Festschmierstoff bzw. Gleitbelag in der Industrie Verwendung findet, laufend aus den USA ein. Die Klägerin verwendet bzw. vertreibt die Ware als Gleitbelag zum Belegen der Schleifschuhe von Bandschleifmaschinen, die in der Industrie zum Schleifen von großflächigen Werkstoffen verwendet werden. In Bandschleifmaschinen zur Oberflächenbearbeitung harter Werkstoffe, wie beispielsweise Holz, Metall oder Plastik, wird ein breites Schleifband durch Walzen angetrieben und mittels eines in der Regel metallenen Schleifschuhs von oben gegen das darunter befindliche Werkstück gedrückt. Bei diesem Vorgang wird das Schleifband durch die entstehende Reibung zwischen Schleifband und Schleifschuh abgebremst und der Schleifschuh und das Schleifband werden stark erhitzt. Um das Abbremsen und die Hitzeentwicklung zu vermeiden und damit vorzeitigem Verschleiß der Maschine und der Beschädigung des Werkstücks entgegenzuwirken, wird der Schleifschuh von unten, also auf der Seite, die gegen das Schleifband gedrückt wird, mit der streitbefangenen Ware als Gleitbelag belegt. Die Graphitpartikel reduzieren den Reibungswiderstand in hohem Maße und verhindern so nahezu vollständig das Abbremsen des Schleifbands und die Hitzeentwicklung, was insbesondere bei der Bearbeitung hitzeempfindlicher Werkstoffe wie beispielsweise Holz erforderlich ist. Mit der Zeit erfolgt ein Abrieb des Graphit-Gleitbelags, der deshalb regelmäßig erneuert werden muss.
Die Ware besteht aus einem festen Baumwoll-Polyester-Mischgewebe als Trägermaterial, auf dem eine Lage aus Graphitpartikeln fixiert wird. Die Graphitpartikel sind mit bloßen Auge wahrnehmbar und haben einen Durchmesser von bis zu ca. 1 mm. Mit bloßem Auge ist außerdem erkennbar, dass die Graphitschicht mindestens ebenso stark oder ggf. sogar etwas stärker ist als das darunter befindliche Baumwoll-Polyester-Mischgewebe.
Der Herstellungsprozess der Ware stellt sich wie folgt dar: auf das ausgerollte Trägermaterial wird als Bindemittel eine wässrige Acrylat-Dispersion mittels Rolle oder Rakel aufgetragen. Anschließend werden die Graphitpartikel im Wege der Gravitationsbeschichtung auf das bestrichene Trägermaterial aufgebracht. Durch die Dispersion werden die Graphitpartikel einerseits auf dem Trägermaterial fixiert und andererseits umhüllt und miteinander verbunden, also agglomeriert. Im Anschluss erfolgt die Trocknung der Ware, die anschließend wieder aufgerollt und als Meterware in Rollenform von der Klägerin eingeführt wird. Der Zuschnitt der Ware für den Einsatz am Schleifschuh einer Bandschleifmaschine erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Für die streitbefangene Ware beantragte die Klägerin am 30. Juli 2020 eine vZTA und schlug dabei eine Einreihung in die Unterposition 6815 1090 KN als "andere Waren aus Grafit, nicht für elektrotechnische Zwecke" vor.
Mit vZTA vom 3. Dezember 2020 (Az. DEBTI-XXX) reihte der Beklagte die Ware in Code-Nummer 5907 0000 90 (TARIC) als "Bestrichenes Gewebe, anderes als in den Positionen 5901 bis 5906 genannte, ohne im Klebstoff eingebettete Kügelchen" ein.
Die Klägerin erhob am 4. Januar 2021 Einspruch. Es handele sich vorliegend um eine zusammengesetzte Ware. Die Graphit-Schicht sei im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 Buchst. b) hinsichtlich ihres Verwendungszwecks als charakterbestim...