Leitsatz
1. Der Vorsitzende eines eingetragenen Vereins ist als gesetzlicher Vertreter dieser juristischen Person verpflichtet, deren steuerliche Pflichten zu erfüllen.
2. Arbeitgeber ist, wer die Schuldnerposition in dem die Rechtsgrundlage der Arbeitslohnzahlung bildenden Rechtsverhältnis innehat. Ein Sportverein, der mit Spielern Arbeitsverträge abschließt und diesbezügliche Lohnsteueranmeldungen abgibt, ist folglich auch dann zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer verpflichtet, wenn nach der Satzung des Vereins Abteilungen mit eigenem Vertreter bestehen und diesen eine gewisse Selbstständigkeit eingeräumt ist.
3. Die für das Verhältnis mehrerer Geschäftsführer entwickelten Grundsätze für die Möglichkeit einer Begrenzung der Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person durch eine Verteilung der Aufgaben innerhalb derselben gelten auch für die Übertragung steuerlicher Pflichten einer juristischen Person (hier: eines Vereins) auf deren Abteilungen.
Normenkette
§ 34 Abs. 1 AO , § 35 AO , § 69 Satz 1 AO , § 166 AO , § 191 Abs. 1 AO , § 21 BGB , § 26 Abs. 2 Satz 1 BGB , § 30 BGB , § 254 BGB
Sachverhalt
Der Vorsitzende eines Sportvereins wurde vom FA auf Haftung für Lohnsteuerschulden in Anspruch genommen. Gegen den Verein waren diesbezüglich bestandskräftige Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide ergangen. Das FA warf ihm vor, Profispieler ohne LSt-Einbehalt beschäftigt und LSt nicht in zutreffender Höhe abgeführt zu haben.
Der Vorsitzende machte demgegenüber geltend, er sei für die Steuerschulden nicht verantwortlich. Die Satzung des Vereins übertrage zwar dem 1. und 2. Vorsitzenden dessen Vertretung. Der Verein sei jedoch in Abteilungen gegliedert, die einen eigenen Vorstand hätten und sich jeweils der Pflege unterschiedlicher Sportarten widmeten. Der Vorsitzende der Abteilung ("Zweigverein"), für welche die Arbeitnehmer gespielt haben, sei für deren steuerliche Angelegenheit zuständig gewesen; nur er hafte ggf. dem FA für nicht angemeldete und/oder abgeführte LSt.
Entscheidung
Der BFH hat das klageabweisende Urteil des FG bestätigt. Der (Haupt-)Verein, dessen Vorsitzender der Kläger war, habe die Pflicht gehabt, für die von den Zweigvereinen aufgrund von Arbeitsverträgen mit Spielern geleisteten Lohnzahlungen Lohnsteuererklärungen abzugeben, Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen. Das stehe zwischen dem FA und dem Verein aufgrund der gegen diesen ergangenen Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide bestandskräftig fest. Der Kläger müsse die Regelungen dieser Bescheide nach § 166 AO gegen sich gelten lassen. Im Übrigen sei der (Haupt-) Verein, nicht der jeweilige Zweigverein, Arbeitgeber der Profispieler gewesen. Denn Arbeitgeber sei, wer die Schuldnerposition in dem die Rechtsgrundlage der Arbeitslohnzahlung bildenden Rechtsverhältnis innehat; das sei der Hauptverein gewesen. Er sei den Spielern in den einzelnen Abteilungen gegenüber als Vertragspartner aufgetreten.
Der Kläger habe als Vorsitzender des Hauptvereins die Erfüllung von dessen steuerlichen Pflichten auch nicht wirksam ganz oder teilweise auf die Zweigvereine delegiert. Denn eine entsprechende klare, schriftliche Vereinbarung oder Satzungsregelung darüber habe nicht bestanden. Sie sei aber nach ständiger Rechtsprechung des BFH Voraussetzung dafür, dass der gesetzliche Vertreter des Hauptvereins von der Haftung frei werde. Überdies habe eine "Krisensituation" bestanden und deshalb Anlass, die korrekte Erfüllung etwaiger steuerlicher Pflichten durch die Zweigvereine zu überwachen. In einer solchen Situation dürfe sich ein gesetzlicher Vertreter ohnehin nie darauf verlassen, dass ein Dritter die auf ihn delegierten steuerlichen Aufgaben erfülle.
Ob möglicherweise die Zweigvereine zumindest lohnsteuerrechtlich Rechtsfähigkeit besessen hätten und Arbeitgeber hätten sein können, sei nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls hätte sie von dieser Möglichkeit tatsächlich keinen Gebrauch gemacht.
Die Schuldner-Auswahl sei auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA eine Mithaftung der Vorsitzenden der Zweigvereine nicht berücksichtigt hätte. Eine Haftung der Zweigvereins-Vorsitzenden nach § 35 AO sei nämlich nicht gegeben. Diese hätten zwar möglicherweise hin und wieder dafür gesorgt, dass LSt an das FA überwiesen wurde, möglicherweise sogar aus eigenen Mitteln ihrer Abteilung; sie seien aber dadurch nicht als "Verfügungsberechtigte" für den Hauptverein aufgetreten. Denn wenn sie aus eigenen Mitteln der Abteilung Steuerschulden des (Haupt-) Vereins beglichen haben sollten, hätten sie nicht rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügt und jedenfalls nicht nach außen ausdrücklich oder schlüssig zu erkennen gibt, dass sie von solcher Verfügungsmacht Gebrauch machen wollen. Das aber sei Haftungsvoraussetzung nach § 35 AO.
Hinweis
1. Der BFH wendet die in einer langen Rechtsprechung vornehmlich für den GmbH-Geschäftsführer entwickelten Haftungs-Grundsätze auch auf ...