Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – Ermittlung des Erhöhungsbetrags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff des Arbeitslohns gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG.
- Für die Ermittlung des Erhöhungsbetrages nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG kommt es darauf an, in welchem Umfang das jeweilige Dienstfahrzeug tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt wurde.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1
Streitjahr(e)
2006
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr (2006) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie bezogen jeweils Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Klägerin erzielte außerdem (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Der Kläger war bei der X-AG in Y im Außendienst beschäftigt. Die X-AG stellte dem Kläger betriebliche Kraftfahrzeuge zur Verfügung, die er auch für private Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzen konnte. Der inländische Bruttolistenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung des dem Kläger jeweils zur Verfügung gestellten Fahrzeugs betrug in den Monaten Januar und Februar 2006 59.300 €, in den Monaten März bis Juni 2006 42.900 €, in den Monaten Juli bis Oktober 2006 60.500 € und in den Monaten November und Dezember 2006 64.400 €.
Die Entfernung zwischen der Wohnung der Kläger und der regelmäßigen Arbeitsstätte des Klägers in Y betrug in den Monaten Januar bis August 2006 26 km und nach dem Umzug der Kläger in den Monaten September bis Dezember 2006 28 km.
Der Kläger fuhr im Streitjahr an folgenden Tagen von der Wohnung zu seiner regelmäßigen Arbeitsstätte in Y:
Januar: |
an 7 Tagen |
Februar: |
an 10 Tagen |
März: |
an 5 Tagen |
April: |
an 13 Tagen |
Mai: |
an 12 Tagen |
Juni: |
an 10 Tagen |
Juli: |
an 6 Tagen |
August: |
an 13 Tagen |
September: |
an 13 Tagen |
Oktober: |
an 10 Tagen |
November: |
an 1 Tag |
Dezember: |
an 11 Tagen |
insgesamt: |
an 111 Tagen |
Die X-AG bescheinigte dem Kläger für das Streitjahr Arbeitslohn in Höhe von ….. €. Dabei hatte die X-AG Einnahmen für die private Nutzung der dem Kläger jeweils zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuge nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 1% des jeweiligen Bruttolistenpreises angesetzt. Darüber hinaus waren in dem von der X-AG bescheinigten Arbeitslohn geldwerte Vorteile für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 5.155,89 € enthalten (8 x 26 km + 4 x 28 km x 0,03/100 des jeweiligen Bruttolistenpreises).
Die Kläger vertraten demgegenüber in ihrer Einkommensteuererklärung die Auffassung, geldwerte Vorteile für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien nur für die 111 Tage anzusetzen, an denen der Kläger mit den zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugen tatsächlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt habe.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) folgte dieser Auffassung nicht. Es berücksichtigte aber die 111 Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erklärungsgemäß mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten.
Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein. Das FA erließ während des Einspruchsverfahrens aus hier nicht mehr im Streit stehenden Gründen einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem es die Einkommensteuer herabsetzte. Den Einspruch der Kläger wies das FA anschließend als unbegründet zurück. Der geldwerte Vorteil für die Benutzung des Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei mit 5.188,80 € zutreffend berücksichtigt worden. Der vom Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 4. April 2008 VI R 85/04 (BFHE 221, 11, BStBl II 2008, 887) vertretenen Auffassung, dass der geldwerte Vorteil nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten abhänge und zur Ermittlung des Zuschlags eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer vorzunehmen sei, könne sich das FA nicht anschließen. Das BFH-Urteil in BFHE 221, 11, BStBl II 2008 887 sei nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23. Oktober 2008 IV C 5 – S 2334/08/10010 (BStBl I 2008, 961) über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.
Die Kläger haben am 26. Februar 2009 Klage erhoben.
Sie tragen vor, durch die Versteuerung des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeug solle eine Gleichstellung mit Arbeitnehmern erfolgen, die mit ihren privaten Kraftfahrzeugen zu ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte fahren. Eine Gleichstellung könne jedoch nur insoweit bejaht werden, wie mit gleichem Maßstab gemessen werde. Dem Arbeitnehmer ohne Dienstwagen entstünden Kosten nur für die tatsächlich durchgeführten Fahrten zur Arbeitsstätte. Dem Nutzer eines Dienstwagens dürfe deshalb nicht pauschal für 30 Kalendertage pro Monat ein zu versteuerndes Einkommen angerechnet werden. Die Auffassung i...