OFD München, Verfügung v. 10.11.1997, S 2253 - 79 St 41
In seinem Urteil vom 7.5.1996, IX R 69/94 (BStBl II 1997 S. 196) hat der BFH jetzt – gestützt auf den Beschluß des BVerfG vom 7.11.1995, 2 BvR 802/90 (BStBl 1996 II S. 34) zum „Oder-Konto” bei Ehegattenarbeitsverhältnissen und unter Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung – die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten bei dem durchzuführenden Fremdvergleich von Mietverträgen zwischen nahen Angehörigen für maßgebend erachtet. In diesem Urteil wurde ein Mietverhältnis zwischen Ehegatten und deren Schwester bzw. Schwägerin steuerlich anerkannt, obwohl die Vertragsparteien von dem schriftlichen Mietvertrag abgewichen sind. Die Miete wurde bar anstatt, wie vereinbart, durch Banküberweisung beglichen, nur teilweise wurden Quittungen ausgestellt, die Mietzahlungen erfolgten nicht – wie im Mietvertrag vorgesehen – monatlich vorschüssig, sondern unregelmäßig. Auch die Heizkosten wurden nicht wie vereinbart abgerechnet.
Nach Meinung des BFH schließt jedoch nicht jede geringfügige Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung entsprechender Vertragsverhältnisse aus. Dies bedeutet, daß wegen des fehlenden Interessengegensatzes zwischen nahen Angehörigen zwar grundsätzlich an den strengen Anforderungen bezüglich Form und Inhalt entsprechender Verträge festzuhalten ist, jetzt aber nicht mehr jede Abweichung vom Üblichen, die auf geschäftlicher Unerfahrenheit oder persönlichen Belangen der Beteiligten beruht, zur Versagung der steuerlichen Anerkennung führt. Entscheidend ist vielmehr, daß im Rahmen einer Gesamtwürdigung die ernsthafte Vereinbarung und die tatsächliche Durchführung des Mietvertrages mit hinreichender Sicherheit feststeht.
Davon kann regelmäßig bereits dann ausgegangen werden, wenn
- die Wohnung aus eigenem Interesse des Mieters angemietet ist,
- die Wohnung vom Mieter eingerichtet ist, ihm jederzeit zur Nutzung zur Verfügung steht und während der Abwesenheit keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Vermieter stattfindet,
- die Wohnung eigenständig und nicht nur im Rahmen von Besuchen beim Vermieter genutzt wird und
- die vereinbarte Miete tatsächlich gezahlt wird.
Die Rechtsfigur des Fremdvergleichs wird durch das o.a. Urteil daher grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Verbleiben nämlich Zweifel an der ernsthaften Vereinbarung und der tatsächlichen Durchführung des Mietverhältnisses im o.g. Sinn, kommt den Indizmerkmalen – wie bisher – entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Höhe des Mietzinses als Hauptpflicht des Mieters nicht klar geregelt oder wenn nachweisbar keine eindeutige Nebenkostenvereinbarung getroffen worden ist.
Für die Praxis bedeutet diese geänderte Rechtsprechung einen höheren Ermittlungs- und Begründungsaufwand bei der Prüfung von Mietverhältnissen zwischen nahen Angehörigen.
Die Anerkennung kann nicht mehr ohne weitere Überprüfung aufgrund eines einzelnen Punktes verweigert werden, in dem die Gestaltung oder Durchführung der Rechtsbeziehung einem Vertrag zwischen fremden Dritten nicht zu entsprechen vermag. Vielmehr ist es erforderlich, möglichst viele Einzelheiten zusammenzutragen, um sich ein Gesamtbild über die Gestaltung des Vertragsverhältnisses machen zu können.
Soweit unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Anhaltspunkte das Mietverhältnis steuerlich nicht anzuerkennen ist, muß die Abwägung der Beweisanzeichen gegeneinander auch in die Begründung der Ablehnung aufgenommen werden.
Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des BFH ist es gegebenenfalls in laufenden Rechtsbehelfsverfahren erforderlich, die bisherige Argumentation zu prüfen und die bisherige Sachverhaltsermittlung nötigenfalls zu erweitern.
2. Im übrigen verweise ich zur steuerlichen Anerkennung von Mietverhältnissen unter Angehörigen aufR 162 a EStR 1996 sowie auf die imH 162 a EStH 1996 zitierte Rechtsprechung.
In zwei neuen Urteilen hatte der BFH wiederum über diese Problematik zu befinden, wobei er in dem Urteil vom 28.2.1997, IX R 27/95, BStBl 1997 II S. 599 ein Mietverhältnis an die volljährige Tochter und deren Ehemann nicht deshalb als rechtsmißbräuchlich ansah, weil die Tochter unterhaltsberechtigt ist.
Im Unterschied hierzu machte der BFH im Urteil vom 28.1.1997, IX R 23/94 (DB 1997 S. 1546, DStR 1997 S. 1117) die Anerkennung eines Mietverhältnisses unter Angehörigen davon abhängig, daß feststehen müsse, daß die gezahlte Miete tatsächlich endgültig aus dem Vermögen des Mieters in das des Vermieters gelangt sei.
Normenkette
EStG § 21