Leitsatz
Vergütungen eines Delegierten einer schweizerischen Kapitalgesellschaft (Mitglied des Verwaltungsrats), die auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags für die geschäftsführende Tätigkeit gezahlt werden, unterfallen Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992.
Normenkette
Art. 15 Abs. 4, Art. 16, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d, Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1992
Sachverhalt
Der Kläger war bei einer Schweizer AG beschäftigt, und zwar als Geschäftsführer und "Delegierter", also nach Maßgabe des Schweizer Zivilrechts als ein Mitglied des Verwaltungsrats, dem die Außenvertretung der Gesellschaft übertragen ist. In dieser Funktion wurde er in das Handelsregister eingetragen. Bereits vor dieser Bestellung als Delegierter war er durch die Generalversammlung der AG – neben einer weiteren Person – zum Mitglied des Verwaltungsrats ernannt worden. Eine (gesonderte) Vergütung für diese Tätigkeit erhielt er nicht.
Das FA hat den Kläger unter Hinweis auf die Anzahl der von ihm nachgewiesenen sog. Nichtrückkehrtage (über 60 Tage) zwar nicht als sog. Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1992 angesehen. Es hat aber den auf eine Tätigkeit in Drittstaaten bzw. in Deutschland entfallenden Teil des Bruttolohns unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 unter Anrechnung der schweizerischen Quellensteuer in die Bemessungsgrundlage der ESt einbezogen.
Die anschließende Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 19.12.2009, 3 K 131/07, Haufe-Index 2341841, EFG 2011, 411).
Entscheidung
Vor dem BFH hat der Kläger demgegenüber obsiegt. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Die Vergütungen leitender Angestellter (Vorstandsmitglieder, Direktoren, Geschäftsführer oder Prokuristen) von Schweizer Kapitalgesellschaften sind gem. Art. 15 Abs. 4 S. 1 DBA-Schweiz 1992 auch dann in der Schweiz zu besteuern, wenn die betreffenden Personen in Deutschland wohnen und hier der unbeschränkten Steuerpflicht unterfallen. Maßgebend ist der Ort der Geschäftsleitung jener Gesellschaft.
Das hat der BFH gegen den fortdauernden Widerstand der Finanzverwaltung vielfach, zunächst durch Urteil vom 25.10.2006, I R 81/04 (BFH/NV 2007, 593, BFH/PR 2007, 160) und zuletzt durch Urteil vom 11.11.2009, I R 83/08 (BFH/NV 2010, 524, BFH/PR 2010, 194) entschieden. Da diese Urteile sämtlich im BStBl veröffentlicht worden sind, scheint die Verwaltung zwischenzeitlich ein Einsehen in das Unabwendbare der Rechtsprechung zu haben.
2. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 folgt also nicht dem Arbeitsortsprinzip nach Maßgabe des physischen Aufenthalts des Angestellten, sondern ordnet davon abweichend eine Arbeitsortsfiktion an. Ausnahmen davon erlaubt die Abkommensregelung lediglich dann, wenn
- der Angestellte Grenzgänger i.S.v. Art. 15a DBA-Schweiz 1992 ist,
- seine Tätigkeit der Sache nach so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst oder
- die Schweiz die Einkünfte (wie auch immer) tatsächlich nicht besteuert.
Greift aber keine dieser drei Ausnahmen, so wird die Tätigkeit des in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für die schweizerische Kapitalgesellschaft i.S.d. Art. 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992, der die Steuerfreistellung in Deutschland bestimmt, "in der Schweiz ausgeübt"; die betreffenden Einkünfte sind in Deutschland von der Bemessungsgrundlage der ESt auszunehmen; und zwar auch dann und insoweit, als die Tätigkeit konkret im Wohnsitzstaat (= im Inland) oder in einem Drittland ausgeübt wird.
3. Auf dieser Basis klärt der BFH nun, dass selbiges auch für eine Person anzunehmen ist, welche in einer Doppelfunktion als "Delegierter" und als Mitglied des Verwaltungsrats einer Schweizer Kapitalgesellschaft fungiert.
Denn eine solche Person gehört einerseits demjenigen Gremium an, das nach dem Schweizer Recht die Geschäftsführung überwacht. Zugleich ist sie andererseits als "Delegierter" des Verwaltungsrats mit der Führung der laufenden Geschäfte der Gesellschaft betraut. Sie übt mithin in der letztgenannten Eigenschaft eine Funktion aus, die nach deutschem Recht der Vorstand einer AG wahrnimmt. Dass die Funktion des Delegierten in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht ausdrücklich aufgeführt ist, tritt dahinter zurück. Angesichts der Funktionsgleichheit sind entsprechende Funktionsträger, die nach deutschem und nach Schweizer Zivilrecht gleichen Aufgaben nachgehen, gleich zu behandeln.
Fazit: Für die Besteuerungszuordnung ist bei einem "Delegierten" nicht Art. 16 (= Aufsichtsratsvergütungen), sondern Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz einschlägig.
Ergänzend sei zum einbezogenen Personenkreis auch auf die mit BMF-Schreiben vom 07.07.1997 (BStBl I 1997, 723) mitgeteilte deutsch-schweizerische Verständigungsvereinbarung zu Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz hingewiesen:
"Es besteht Einvernehmen, dass zu den in Art. 15 Abs. 4 DBA genannten Direktoren auch stellvertretende Direktoren oder Vizedirektoren und Generaldirektoren gehören. I. d. R. sind die in Art. 15 Abs. 4 DBA genannten Personenkateg...