Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. stationäre psychosomatische Krankenhausbehandlung. nicht zugelassener Leistungserbringer. kein Systemversagen mangels vorheriger Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Zum Streit über die Erstattung von Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung, hier: psychosomatische Leistungen als Selbstzahler in einem nicht nach § 108 SGB 5 zugelassenen Krankenhaus.
2. Nicht zugelassene Leistungserbringer dürfen nur in Anspruch genommen werden, wenn die notwendige medizinische Versorgung unter Ausschöpfung aller dafür gebotenen Mittel im Sachleistungswege nicht realisierbar gewesen ist. Dabei kommt es vor allem auf ein rechtzeitiges Einschalten der Krankenkasse an.
3. Ob ein Systemversagen vorliegt, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Auf eine Kenntnis von der konkreten Leistungsmöglichkeit kommt es nicht an, (jedenfalls) solange sich der Versicherte - wie vorliegend - nicht im Vorfeld bei seiner Krankenkasse erkundigt hat.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.04.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Der 1983 geborene Kläger ist seit dem 01.09.2011 Mitglied der Beklagten. Am 21./22.04.2021 wurde der Kläger in der M1 wegen Kribbelparästhesien in allen Extremitäten notfallmäßig behandelt. Nachdem eine neurologische Ursache ausgeschlossen werden konnte, wurde der psychotherapeutische Konsiliardienst (W1) hinzugezogen. Auf dessen Empfehlung stellte sich der Kläger am 26.04.2021 in der Psychosomatischen S1 in B3 zu einem Vorgespräch mit der Frage einer stationären Aufnahme vor. Bei dieser Klinik handelt es sich nicht um ein nach§ 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Unter dem 28.04.2021 verordnete der W1 dem Kläger eine stationäre Krankenhausbehandlung. Am 29.04.2021 bot die S1 dem Kläger einen Aufnahmetermin für den 04.05.2021 an. Am 04.05.2021 schloss der Kläger mit der S1 einen Behandlungsvertrag, in der er sich als Selbstzahler zur Kostentragung verpflichtete. Am 07.05.2021 zahlte der Kläger einen Betrag in Höhe von 3.000 € an. Die Krankenhausbehandlung in der S1 fand sodann vom 04.05. bis 05.06.2021 statt, für die der Kläger insgesamt 9.656,05 € an die Klinik gezahlt hat (Rechnungen vom 02.06. und 15.06.2021).
Mit Schreiben vom 17.05.2021, eingegangen bei der Beklagten am 18.05.2021, beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage der Krankenhausverordnung die Übernahme der Kosten für seinen Aufenthalt in der S1.
Die Beklagte leitete den Antrag an ihren Medizinischen Dienst (MD) weiter. G1 vom MD kam in seinem Gutachten vom 19.05.2021 zu dem Ergebnis, dass die sozialmedizinischen Voraussetzungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung grundsätzlich erfüllt seien, jedoch bei vorhandenen Möglichkeiten im vertraglichen Bereich (z.B. B1, K4, Krankenhaus S2, ZfP E1, O3, D1, O4, G2, R1, K5, G5, ZfP R2) die Belegung einer Privatklinik zu Lasten der Krankenkasse nicht gerechtfertigt sei.
Mit Schreiben vom 20.05.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der MD eine Kostenübernahme nicht befürworte. Daraufhin bescheinigte der einweisende W1 am 21.05.2021, dass am 28.04.2021 eine sofortige Aufnahme in den umliegenden psychiatrischen Kliniken nicht möglich gewesen sei. Im Gutachten vom 25.05.2021 führte der MD (G1) erneut aus, dass eine Kostenübernahme bei bestehenden vertraglich zugelassenen Behandlungsalternativen nicht befürwortet werden könne.
Mit Bescheid vom 31.05.2021 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers förmlich ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, sein Arzt habe ihn im Rahmen einer Sofortaufnahme in die S1 eingewiesen, eine Alternative habe nicht bestanden. Der einweisende Arzt habe sowohl bei der B1 als auch dem ZfP E1 erfolglos angefragt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Entsprechende medizinische oder soziale Gründe für die Inanspruchnahme der privatklinischen Behandlung lägen nicht vor. Darüber hinaus sei der Antrag erst am 18.05.2021 gestellt worden, die Aufnahme in der Klinik habe aber bereits zum 04.05.2021 stattgefunden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe aber einen Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Leistungen bei noch nicht abgeschlossenen Genehmigungsverfahren verneint.
Der Kläger hat am 29.11.2021 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine Behandlungsalternative habe nicht bestanden. Soweit die Beklagte die Auffassung vertrete, dass jederzeit notfällig stationäre Aufnahmeoptionen im Rahmen der vertraglichen Versorgungsstrukturen zur Verfügung stünden, habe sie nicht überprüft, ob in anderen Kliniken überhaupt eine Behandlungsmöglichkeit bestanden hätte. Die Voraus...