Mangelerforschung durch Vermieter ist kein Anerkenntnis
Hintergrund: Vermieter geht Mangelursache nach
Die Vermieterin von Büroflächen verlangt von der Mieterin die Zahlung einbehaltener Miete. Bei der Vermieterin handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft spanischen Rechts.
Im April 2015 hatte die Mieterin angezeigt, dass in einem der Büroräume ein beißender, die Atemwege und Augen reizender Geruch feststellbar sei. Seit Juli 2015 minderte die Mieterin die Miete um 10 Prozent. Im November bot die Vermieterin über ihren Rechtsanwalt „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Präjudiz zum Zwecke einer einvernehmlichen Regelung der bestehenden Meinungsverschiedenheiten“ an, den Bodenbelag in dem betroffenen Raum auszutauschen, wenn die Mieterin die einbehaltene Miete nachzahlt.
Im April 2016 ließ die Vermieterin eine Rigipswand im an den betroffenen Raum angrenzenden WC öffnen, um als Mangelursache einen Rohrschaden auszuschließen. Hierfür wurden vier Fliesen entfernt, die danach wieder angebracht wurden. Hinweise auf die Ursache der Geruchsentwicklung ergaben sich aus dieser Untersuchung nicht.
Im Dezember 2016 endete das Mietverhältnis.
Das Landgericht hielt die Minderung von 10 Prozent für berechtigt, obwohl die Vermieterin bestritten hat, dass es sich bei der Geruchsbelästigung um einen erheblichen Mangel gehandelt hat. Im Angebot, den Bodenbelag zu tauschen, liege ein tatsächliches Anerkenntnis der Vermieterin, dass die Gebrauchstauglichkeit nicht nur unerheblich beeinträchtigt gewesen sei. Eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Kapitalgesellschaft finde sich nicht allein zur Wahrung eines guten Verhältnisses zu den Gewerbemietern zu einem solchen Angebot bereit, sondern nur, wenn wirklich ein Mangel vorliege.
Zudem stelle die Öffnung der Wand ein tatsächliches Anerkenntnis dar. Dies sei ein beachtlicher und kostenverursachender Eingriff in die Bausubstanz. Ein gewerblich handelnder Vermieter würde einen solchen nicht auf sich nehmen, wenn er die Geruchsbelästigung als unerheblich ansehen würde.
Diese tatsächlichen Anerkenntnisse hätten eine Umkehr der Beweislast zur Folge. Da die Vermieterin nicht nachgewiesen habe, dass die Geruchsbeeinträchtigungen unerheblich waren, sei die Mietminderung gerechtfertigt gewesen.
Entscheidung: Prüfen des Mangels ist nicht Anerkennen
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Das Landgericht durfte nicht ohne Weiteres annehmen, dass tatsächlich ein erheblicher Mangel vorgelegen hat.
Will ein Mieter aufgrund eines Mangels eine geringere als die vereinbarte Miete zahlen, trägt er für das Vorliegen des Mangels und dessen Erheblichkeit die Beweislast. Erklärt der Vermieter Erfüllungsbereitschaft, etwa um den Mieter von weiteren Maßnahmen abzuhalten oder diesem den Beweis zu erleichtern, kann dies als „Zeugnis gegen sich selbst“ aber zu einer Umkehr der Beweislast führen oder zumindest ein Indiz sein, das das Gericht bei der Beweiswürdigung verwerten kann.
Die Mieterin hat hier einen Mangel behauptet, aber (noch) nicht den Beweis geführt, dass tatsächlich ein erheblicher Mangel vorgelegen hat. Ein solcher Beweis war auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Verhalten der Vermieterin als Anerkenntnis zu werten wäre.
Das Angebot der Vermieterin, den Bodenbelag auszutauschen, war schon deshalb kein Anerkenntnis des Mangels, weil die Vermieterin ausdrücklich erklärt hat, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu handeln. Dieser Vorbehalt, nur zur gütlichen Beilegung des Streits zu handeln, steht der Annahme eines Anerkenntnisses entgegen. Zudem war das Angebot an die Bedingung geknüpft, dass die einbehaltene Miete nachgezahlt wird. Das Argument, dass sich ein auf Gewinnerzielung ausgerichteter Vermieter nur dazu bereitfinde, Kosten zu übernehmen, wenn ein Mangel tatsächlich vorliege, ist sachfremd.
Auch die Öffnung der Wand kann nicht als Anerkenntnis gewertet werden. Die Bereitschaft eines Vermieters, einer Mangelanzeige des Mieters nachzugehen, enthält für sich genommen keine Aussage dahingehend, das Vorhandensein eines Mangels und die Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache außer Streit stellen zu wollen. Nur wenn besondere Umstände die Wertung tragen, der Vermieter werde nicht nur aus Kulanz oder zwecks gütlicher Beilegung des Streits tätig, können Maßnahmen des Vermieters als „Zeugnis gegen sich selbst“ angesehen werden. Von Bedeutung sind dabei vor allem Umfang, Dauer und Kosten der Mangelbeseitigungsarbeiten.
Bei der Öffnung der Wand handelte es sich um eine Maßnahme mit überschaubarem Aufwand. Hieraus lässt sich nicht das eindeutige Bewusstsein der Vermieterin herleiten, zur Beseitigung eines erheblichen Mangels verpflichtet zu sein. Zudem hat ein Gebäudeeigentümer ein generelles Interesse daran, Hinweisen auf mögliche Undichtigkeiten von Leitungen nachzugehen. Zudem war das Öffnen der Wand eine punktuelle Maßnahme, auf die keine weiteren Schritte folgten. Es liegt daher auch in der Gesamtschau fern, im Verhalten der Vermieterin ein tatsächliches Anerkenntnis zu sehen.
Da es somit der Mieterin obliegt, das Vorliegen eines erheblichen Mangels zu beweisen, muss das Landgericht nun dieser Frage nachgehen.
(BGH, Urteil v. 23.9.2020, XII ZR 86/18)
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