Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 13.09.2002; Aktenzeichen 13a D 81/02) |
Nachgehend
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2002 wird aufgehoben, soweit der Antrag der Klägerin zurückgewiesen worden ist.
Es wird festgestellt, dass auch die Verweigerung der Offenlegung und der Offenlegung ohne vorherige Schwärzungen der übrigen im Bescheid des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 29. Dezember 1999/13. Februar 2002 aufgeführten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge des Beschlusskammerverfahrens Az.: 4e-98-024/E 21.09.98 rechtwidrig ist.
Die Kosten dieses Zwischenverfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischenverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin dieses Zwischenverfahrens ist Klägerin in dem Rechtsstreit VG Köln Az.: 1 K 1823/99, in dem sie sich gegen die Festsetzung der Entgelte für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in den Bescheiden der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 8. und 10. Februar 1999 – BK 4e-98-024/E 21.09.98 – wendet. Aufgrund gerichtlicher Verfügung entschied das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit Bescheiden vom 29. Dezember 1999/13. Februar 2002, dass zahlreiche Seiten aus den Verwaltungsvorgängen nicht und weitere Seiten nur teilweise geschwärzt offen gelegt werden dürfen. Dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht nur teilweise stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Verweigerung der Offenlegung und der Offenlegung ohne Schwärzungen aller im Bescheid des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 29. Dezember 1999/13. Februar 2002 genannten Seiten aus den Verwaltungsakten zum Beschlusskammerverfahren Az.: 4e-98-024/E 21.09.98 ist rechtswidrig.
Im Verwaltungsstreitverfahren um die Entgeltgenehmigung der Regulierungsbehörde kann die für die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zuständige Behörde Urkunden oder Akten, deren Geheimhaltung ein Beteiligter zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen verlangt, offen legen, wenn diese Unterlagen entscheidungserheblich sind, andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen und nach Abwägung aller Umstände das Interesse an der Offenbarung das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt. Davon ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als die seinerzeit nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zuständige Behörde zutreffend ausgegangen.
Ob Urkunden oder Akten der Vorlage- und Auskunftspflicht der Behörden nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegen, hat das Gericht der Hauptsache zu beurteilen. Dessen materiellrechtliche Rechtsauffassung ist maßgebend für den Umfang der ihm verfahrensrechtlich obliegenden Pflicht zur umfassenden Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Das Gericht der Hauptsache bestimmt grundsätzlich auch, welche Beweismittel zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geeignet und heranzuziehen sind. Es hat deshalb zunächst darüber zu befinden, ob Unterlagen, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse eines Verfahrensbeteiligten enthalten und deswegen anderen mit ihm wirtschaftlich konkurrierenden Beteiligten nicht über das Akteneinsichtsrecht (§ 100 VwGO) bekannt werden sollen, entscheidungserheblich sind und zur gebotenen vollständigen Sachaufklärung benötigt werden (vgl. Beschlüsse vom 9. November 1962 – BVerwG 7 B 91.62 – BVerwGE 15, 132 ≪133 f.≫ und vom 31. Juli 1992 – BVerwG 3 B 107.92 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 21 S. 6 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht Köln hat in dem bei ihm anhängigen Hauptsacheverfahren sowohl die Entscheidungserheblichkeit als auch die Erforderlichkeit der Verwaltungsakten als Beweismittel bejaht. Durch prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden der Kammer hat es die Beklagte zur Vorlage der vollständigen Verwaltungsvorgänge oder zu einer nach § 99 Abs. 2 VwGO überprüfbaren Verweigerungsentscheidung aufgefordert. Das Gericht der Hauptsache hat damit zum Ausdruck gebracht, dass es die angefochtene Entgeltgenehmigung der Regulierungsbehörde ohne Kenntnis der vollständigen Begründung und tatsächlichen Grundlagen dieser Entscheidung nicht überprüfen könne. Das trifft zu.
Die verfahrensrechtliche Frage, ob der entscheidungserhebliche Sachverhalt durch Erhebung anderer zugänglicher und geeigneter Beweismittel gerichtlich aufgeklärt werden kann, hat der Fachsenat im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nachzuprüfen (vgl. Beschluss vom 19. August 1964 – BVerwG 6 B 15.62 – BVerwGE 19, 179 ≪186 f.≫). Sie ist zu verneinen.
Das Gericht der Hauptsache benötigt die streitigen Unterlagen zur Sachaufklärung auch dann, wenn der Regulierungsbehörde bei der Festsetzung der Entgelte für den Netzzugang eine Beurteilungsermächtigung (Einschätzungsprärogative) zustehen sollte. Eine insoweit beschränkte gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle erstreckte sich darauf, ob die Behörde von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. z.B. Urteile vom 19. März 1998 – BVerwG 2 C 5.97 – BVerwGE 106, 263 ≪266≫ m.w.N. und vom 1. Dezember 1998 – BVerwG 5 C 17.97 –BVerwGE 108, 47 ≪53≫).
Eine Beweisführung durch einen neutralen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer) als Beweismittler scheidet aus. Zwar verstößt die Verwertung mittelbarer Beweismittel nicht gegen die verfassungsrechtlichen Gebote rechtlichen Gehörs, effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪274≫; 78, 123 ≪126≫; BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. März 1994 – 1 BvR 1485/93 – NJW 1994, 2347 f.). Wirksamer Geheimnisschutz eines Beteiligten – hier der Beigeladenen – ließe sich aber durch einen “Wirtschaftsprüfervorbehalt” im Hauptsacheverfahren nur erreichen, wenn die dem Sachverständigengutachten zu Grunde liegenden Tatsachen den anderen Beteiligten weder unmittelbar noch – wegen ihres Akteneinsichtsrechts (§ 100 VwGO) – dem Gericht der Hauptsache zur Kenntnis gebracht würden. Das ist verfassungsrechtlich und prozessrechtlich ausgeschlossen. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist als Beweismittel unverwertbar, wenn es auf Geschäftsunterlagen beruht, die eine der Parteien nur dem Sachverständigen, nicht dem Gericht und der Gegenpartei zur Verfügung gestellt hat und die im Verfahren auch nicht offen gelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1991 – KZR 18/90 – BGHZ 116, 47 ≪58≫). Die gerichtliche Verwertung eines solchen Sachverständigengutachtens versagt nicht nur den Beteiligten, die die geheim gehaltenen Tatsachen nicht kennen, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Das Gericht verletzt auch seine Pflicht, ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten sorgfältig und kritisch zu würdigen, insbesondere auch daraufhin zu überprüfen, ob es von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 15.84 – BVerwGE 71, 38 ≪45≫). Dieser Pflicht und dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs kann das Gericht nur genügen, wenn der Sachverständige die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens offen legt (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1991, a.a.O.).
Ein “in-camera”-Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache schließt das geltende Recht aus. Der Gesetzgeber hat durch den neu gefassten § 99 Abs. 2 VwGO die gerichtlichen Befugnisse zur Überprüfung der behördlichen Entscheidung über die Aktenvorlage auf die Fachsenate beschränkt. Diese entscheiden im Zwischenverfahren abschließend darüber, ob Akten oder Urkunden, die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, im Hauptsacheverfahren vorgelegt und verwertet werden dürfen. Für eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Aktenvorlage oder Auskunftserteilung in einem “in-camera”-Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache fehlt eine Rechtsgrundlage. Eine verfassungskonforme Auslegung in dieser Richtung ist unmöglich. Nur der Gesetzgeber könnte ein “in-camera”-Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache zur Verwertung geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen für die Sachentscheidung einführen und ausgestalten.
Die danach unter Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Vorlage der Unterlagen und an deren Geheimhaltung vorzunehmende Ermessensentscheidung (vgl. Beschluss vom 29. Juli 2002 – BVerwG 2 AV 1.02 – BVerwGE 117, 8 ≪9 f.≫) hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nicht rechtsfehlerfrei getroffen. Notwendigkeit und Bedeutung einer lückenlosen Sachverhaltsaufklärung im Rechtsstreit, das schutzwürdige Interesse der Beteiligten und das öffentliche Interesse daran sind gegen das Interesse der Beigeladenen an der Geheimhaltung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen abzuwägen. Die behördliche Ermessensentscheidung kann der Fachsenat auch daraufhin nachprüfen, ob überwiegende Interessen an der vollständigen Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsstreitverfahren die Vorlage der Unterlagen trotz der in ihnen enthalten Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen gebieten (vgl. Beschluss vom 19. August 1964 – BVerwG 6 B 15.62 – a.a.O.). So verhält es sich hier.
In die Abwägung des Interesses an der Offenlegung der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gegen das Geheimhaltungsinteresse ist einzubeziehen, wie sich die Geheimhaltung der entscheidungserheblichen Tatsachen auf den Ausgang des Rechtsstreits auswirkt. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) schließt ein, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend prüfen kann und genügend Entscheidungsbefugnisse besitzt, um eine Rechtsverletzung abzuwenden oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪122 f.≫ m.w.N.; stRspr). Es muss die dazu notwendigen tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und unabhängig von der angegriffenen Entscheidung der Verwaltung ohne Bindung an deren Feststellungen und Wertungen beurteilen können. Verwaltungsvorgänge müssen dem Gericht zur Verfügung stehen, soweit sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung bedeutsam sein können (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪122 ff.≫ m.w.N.). Die verfassungsrechtliche Garantie umfassenden Rechtsschutzes durch staatliche Gerichte lässt es grundsätzlich nicht zu, den Nutzern von Telekommunikationsdienstleistungen die im Verwaltungsstreitverfahren begehrte Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit von ihnen zu entrichtender, der staatlichen Regulierung unterliegender und durch Verwaltungsakt festgesetzter Entgelte zu versagen (vgl. Urteil vom 10. Oktober 2002 – BVerwG 6 C 8.01 – BVerwGE 117, 93 ≪104 f.≫ m.w.N.).
Die verfassungsrechtlich gebotene Effektivität des Rechtsschutzes wird eingeschränkt, wenn die Geheimhaltung entscheidungserheblicher Tatsachen sich nachteilig für den Rechtsschutzsuchenden auswirkt (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪130≫). Das ist der Fall, wenn mangels Verwertbarkeit geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen über die Hauptsache nach Beweislastgrundsätzen zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden entschieden werden muss. Die materiellrechtliche Frage, zu Lasten welches Beteiligten aus Gründen der materiellen Beweislast zu entscheiden ist, hat allerdings das Gericht der Hauptsache zu beurteilen. Wie diese Frage für den Fall der Unverwertbarkeit geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen letztlich höchstrichterlich zu beantworten sein wird, ist derzeit offen, kann jedoch im vorliegenden Zwischenverfahren dahinstehen. Darauf kommt es für die Interessenabwägung nicht an. Trägt die Partei, die entscheidungserhebliche geheime Unterlagen nicht kennt, die Beweislast, wenn die nicht beweisbelastete Partei sich erfolgreich auf den Geheimschutz beruft, führt dies zu einem mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbaren Rechtsschutzdefizit. Aber auch bei einer umgekehrten Beweislastverteilung verfehlt eine mangels Offenlegung entscheidungserheblicher Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse getroffene Beweislastentscheidung das eigentliche Rechtsschutzziel, weil die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen zur Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Regulierung der Entgelte für den Netzzugang ungeklärt bleiben. Ob die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die Entgelte für den Netzzugang zutreffend festgesetzt hat, ist sowohl im Interesse aller Beteiligten als auch im öffentlichen Interesse gerichtlich zu überprüfen. Die gerichtliche Klärung, wie die zulässigen Entgelte für den Netzzugang zu ermitteln sind, dient der ordnungsgemäßen Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Art. 87 f GG). Sie dient zugleich den schutzwürdigen Belangen der Beteiligten, die ohne gerichtliche Sachentscheidung nicht wissen, welche Beträge von Rechts wegen zu entrichten sind. Das beeinträchtigt vornehmlich die mit der Beigeladenen in Wettbewerb stehenden Unternehmen in ihren Dispositionen. Ihnen eine gerichtliche Sachentscheidung wegen Geheimnisschutzes der Beigeladenen vorzuenthalten, liefe im Ergebnis auf eine Verweigerung effektiven Rechtsschutzes hinaus. Das fällt im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ausschlaggebend ins Gewicht und zwingt zur Annahme eines überwiegenden Interesses an der Offenlegung der entscheidungserheblichen Unterlagen.
Der grundrechtlich (Art. 12 Abs. 1 und 14 GG) geschützte Anspruch der Beigeladenen auf Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse muss demgegenüber zurücktreten. Die Beigeladene ist zwar wegen ihrer ausschließlich privatwirtschaftlichen Tätigkeit und Aufgabenstellung (Art. 87 f Abs. 2 GG) grundrechtsfähig, obwohl sie aus dem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen Deutsche Bundespost und dem öffentlich-rechtlichen Teilsondervermögen Deutsche Bundespost TELEKOM hervorgegangen ist und bis heute trotz der Veräußerung von Aktien an private Investoren mehrheitlich im Eigentum der Beklagten steht (vgl. Urteil vom 25. April 2001 – BVerwG 6 C 6.00 – BVerwGE 114, S. 160, 192). Ihre Netzinfrastruktur ist jedoch unter dem Schutz eines staatlichen Monopols und unter Verwendung öffentlicher Mittel entstanden. Sie weist deswegen einen intensiven sozialen Bezug auf (Art. 14 Abs. 2 GG). Dem hat der Gesetzgeber mit der Regelung über die Gewährung von Netzzugang für andere Nutzer Rechnung getragen. Die Beigeladene hat das Eigentum an ihren öffentlichen Telekommunikationsnetzen frühestens mit ihrem (ersten) Börsengang im November 1996 und der Aufhebung ihrer ausschließlichen Rechte aus § 1 Abs. 2 und Abs. 4 FAG erlangt. Grundrechtlich geschützte vermögenswerte Positionen an ihren öffentlichen Telekommunikationsnetzen hat sie daher von vornherein nur mit den der Herkunft ihres Eigentums entsprechenden Pflichten belastet erworben (vgl. Urteil vom 25. April 2001, a.a.O. S. 193).
Die Verfassung selbst gibt das Ziel vor, die aus der Deutschen Bundespost hervorgegangenen Unternehmen Postdienst und Telekom zu privatisieren (Art. 143b GG) und gleichwohl auch für die Zukunft im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend für angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu sorgen (Art. 87 f Abs. 1 GG). Diese Dienstleistungen sollen neben den früheren Staatsunternehmen auch durch andere private Anbieter erbracht werden (Art. 87 f Abs. 2 GG). Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG fordert die Erbringung solcher Dienstleistungen unter Wettbewerbsbedingungen (vgl. BTDrucks 12/7269 S. 5 und 9). Dem entspricht die Zielsetzung des Telekommunikationsgesetzes, in einem monopolistisch strukturierten Markt chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen und eine missbräuchliche Ausübung wirtschaftlicher Machtstellungen zu verhindern. Das Telekommunikationsgesetz verfolgt damit auch die in der Zuständigkeitsregelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG zum Ausdruck kommende Entscheidung des Verfassungsgebers für die Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellungen. Diese Zielsetzung zählt zu den Belangen des Allgemeinwohls, die geeignet sind, Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 99, 202 ≪211≫ m.w.N; stRspr).
Als ehemaliger Monopolist hat die Beigeladene nach wie vor sowohl auf dem Vorleistungsmarkt als auch auf dem Endkundenmarkt eine die Befürchtung der Missbrauchsgefahr begründende marktbeherrschende Stellung inne (vgl. Urteil vom 25. April 2001 – BVerwG 6 C 6.00 – a.a.O. S. 173 ff.). Dies trifft für das gesamte Bundesgebiet zu (vgl. Urteil vom 25. April 2001, a.a.O.). Der Zugang zum Telekommunikationsnetz des marktbeherrschenden Netzbetreibers hat zentrale Bedeutung für die Markzutrittschancen der Wettbewerber (vgl. Urteil vom 25. April 2001, a.a.O. S. 174). Die Verpflichtung des marktbeherrschenden Unternehmens, ihnen diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren (§ 35 Abs. 1 TKG), trägt dem Rechnung. Das ganz überwiegend zu Zeiten des früheren Staatsmonopols mit öffentlichen Mitteln finanzierte Festnetz der Beigeladenen soll zur Herbeiführung des angestrebten offenen Telekommunikationsmarktes allen Nutzern zu Bedingungen zugute kommen, die nicht ungünstiger sind als für eigene (nachgelagerte) Dienstleistungsbereiche oder Tochterunternehmen der Beigeladenen (vgl. Urteil vom 25. April 2001, a.a.O. S. 183). Die Regulierung der Entgelte für die Gewährung von Netzzugang (§ 39 TKG in Verbindung mit den weiteren Vorschriften über die Entgeltregulierung) soll die Marktchancen der Unternehmen, die mit der Beigeladenen als marktbeherrschender Netzbetreiberin in Wettbewerb stehen, gewährleisten. Um das von Verfassung und Gesetz vorgegebene Ziel zu erreichen, einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen, soll die Beigeladene daran gehindert werden, ihren Wettbewerbsvorsprung auf Dauer zu erhalten, indem sie ihre Telekommunikationsleistungen zu günstigeren Bedingungen als ihre Konkurrenten erbringen kann. Das verlangt zur Sicherung des Wettbewerbs einen effektiven Rechtsschutz der mit ihr konkurrierenden Unternehmen.
Im Kartellbeschwerdeverfahren kann das Gericht die Offenlegung von Tatsachen und Beweismitteln, deren Geheimhaltung zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen verlangt wird, durch Beschluss anordnen, wenn es für die Entscheidung auf diese Tatsachen und Beweismittel ankommt, andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen und nach Abwägung aller Umstände die Bedeutung der Sache für die Sicherung des Wettbewerbs das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegt (§ 72 Abs. 2 Satz 4 GWB). Unter diesen Voraussetzungen ist die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit nicht unverhältnismäßig, wenn und soweit die Preisgabe der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse keine nachhaltigen oder gar existenziellen Nachteile besorgen lässt. Entsprechendes muss für den Telekommunikationsmarkt erst recht gelten. Das gesetzgeberische Konzept der Regulierung ist vorrangig die Auflösung des Monopols. Der Gesetzgeber hielt die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen allein (vgl. § 2 Abs. 3 TKG) nicht für ausreichend, um auf dem bis 1996 staatsmonopolistisch organisierten Telekommunikationsmarkt funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen (vgl. Urteil vom 25. April 2001, a.a.O. S. 180). Denn die Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterstellen grundsätzlich die Existenz eines funktionsfähigen Wettbewerbs (vgl. Urteil vom 25. April 2001, a.a.O. S. 180). Die gesetzlich ausgeformte wettbewerbsrechtliche Konfliktlösung in § 72 Abs. 2 Satz 4 GWB zu Gunsten eines grundsätzlich bereits vorhandenen und funktionsfähigen Wettbewerbs ist jedoch auch bei der hier vorzunehmenden Abwägung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen zu Gunsten eines noch im Aufbau befindlichen Wettbewerbs auf dem traditionell monopolistisch geprägten Telekommunikationsmarkt heranzuziehen.
Nachhaltige oder gar Existenz bedrohende Nachteile für die Beigeladene sind bei einer Offenlegung ihrer hier in Rede stehenden Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse nicht zu besorgen. Diese enthalten Angaben über die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung durch die Beigeladene, wie Investitionswerte, Kapitalkosten, Abschreibungsmöglichkeiten, Betriebs- und Gemeinkosten sowie Produkt- und Angebotskalkulationen, ferner Angaben über die Aufwendungen nach § 3 Abs. 4 TEntgV am Beispiel der monatlichen Kosten bei der Variante 1-CuDa 2 Dr. Zudem enthalten die Unterlagen Kostenberechnungen verschiedener Leistungsbereiche, etwa den Preis für die Erdkabelverlegung pro Meter, für die Errichtung von KK-Anlagen, den Bau des Kabelschachts, den Preis für das Kabel sowie für andere erforderliche Investitionsgüter. Schließlich enthalten die Unterlagen Aussagen über die Konzeption der Kapitalverzinsung der Beigeladenen. Soweit diese Daten konkrete Maßnahmen betreffen, führt deren Offenlegung zu keinem nachhaltigen Nachteil für die Beigeladene, soweit es sich um Daten handelt, die den gesamten Unternehmensbereich der Beigeladenen betreffen, ist deren Detaillierungsgrad zu gering, als dass wettbewerbsrelevante Rückschlüsse gezogen werden könnten. Davon hat sich der erkennende Fachsenat auf Grund der Durchsicht der ungeschwärzten Unterlagen und deren Erläuterung durch Bedienstete der Regulierungsbehörde sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit im “in-camera-Verfahren” überzeugt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3, § 155 VwGO. Das selbständige Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO hat einen eigenen Streitgegenstand und erfordert eine Kostenentscheidung. Die Streitwertfestsetzung für das Zwischenverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Kugele
Fundstellen