Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Streitwerts für die zweite Instanz: hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 20 O 535/01) |
Tenor
Die Änderung des Streitwertbeschlusses vom 14.2.2008 - 2 U 110/04 - wird abgelehnt.
Gründe
I. In erster Instanz erklärte die Beklagte u.a. die hilfsweise Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen gegen die Klageforderung; das LG gab der Klage im Wesentlichen statt, u.a. mit der Begründung, die Gegenforderungen bestünden nicht. Die Beklagte legte Berufung gegen die Entscheidung ein und machte weiterhin die Hilfsaufrechnung geltend. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat blieb sie säumig, woraufhin am 14.2.2008 ein die Berufung gem. § 539 Abs. 1 ZPO zurückweisendes, mittlerweile rechtskräftiges Versäumnisurteil erging und der Senat den Streitwert für die zweite Instanz auf den Betrag der Klageforderung festsetzte. Mit einer als Beschwerde bezeichneten Eingabe vom 23.5.2008 greifen die ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten diese Streitwertfestsetzung an und machen geltend, dass bei der Berechnung des Streitwertes der Wert der hilfsweisen zur Aufrechnung gestellten Forderungen dem Wert der Klageforderung hinzuzuaddieren sei.
II.1. Die "Beschwerde" ist als Gegenvorstellung auszulegen.
Denn die Beschwerde ist gem. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 RVG unzweifelhaft nicht statthaft, nachdem sie sich gegen den Beschluss eines Obergerichtes wendet. Es ist anzunehmen, dass die Beschwerdeführer keine, für sie nutzlose Verwerfung der Beschwerde durch den BGH wünschen, sondern an einer erneuten Sachprüfung durch das Obergericht im Rahmen der stets statthaften Gegenvorstellung interessiert sind.
2. Auf die Gegenvorstellung hin ist eine amtswegige Änderung des Streitwertbeschlusses gem. § 63 Abs. 3 GKG nicht angezeigt.
Denn vorliegend war bei Bestimmung des Streitwertes für die zweite Instanz der Wert der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht gem. § 45 Abs. 3 GKG dem Wert der Klageforderung hinzuzuaddieren. Das Versäumnisurteil vom 14.2.2008 stellt nämlich keine Entscheidung über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderungen im Sinne dieser Vorschrift dar. Dabei kann die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage, ob ein gegen den Beklagten in erster Instanz ergangenes Versäumnisurteil eine Entscheidung über eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung i.S.d. § 45 Abs. 3 GKG darstellt (verneinend die h.M.: LAG Rheinland, Beschluss vom 15.11.1977, 1 Ta 104/77, KostRspr. GKG § 19 Nr. 10; Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 3 Rz. 16 "Aufrechnung"; Schneider, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rz. 563; Meyer, GKG, 9. Aufl. 2007, § 45 Rz. 33; bejahend hingegen: Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, § 45 GKG Rz. 46), offen bleiben. Denn die Frage ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn ein Versäumnisurteil gegen den Beklagte in zweiter Instanz gem. § 539 Abs. 1 ZPO ergeht. Letzteres ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
a) Bei wortlautgemäßem Verständnis des § 45 Abs. 3 GKG ist das Vorliegen einer "Entscheidung" zu verneinen. Denn im Falle des § 539 Abs. 1 ZPO ist die Berufung des Beklagten ohne jede Sachprüfung zurückzuweisen. Das Berufungsgericht muss und darf - anders als (möglicherweise) im Falle der Beklagtensäumnis in erster Instanz gem. § 331 ZPO - nicht einmal die Schlüssigkeit der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderungen überprüfen. Von einer "Entscheidung" des Berufungsgerichtes kann daher keine Rede sein.
b) Denkbar wäre, das Versäumnisurteil des Berufungsgerichtes deshalb als Entscheidung i.S.d. § 45 Abs. 3 GKG anzusehen, weil das Versäumnisurteil (möglicherweise) Rechtskraft in Bezug auf die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung entfaltet. Indessen ist schon fraglich, ob der Gesichtspunkt der Rechtskraft das entscheidende Element der Regelung des § 45 Abs. 3 ZPO ist und die Tatbestandsvoraussetzung "Entscheidung" daher in Richtung auf diesen Gesichtspunkt ausgelegt werden kann. Denn zum einen findet im Falle der Primäraufrechnung keine Hinzuaddierung statt, obgleich dort durchaus eine rechtskräftige Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Forderung ergeht; zum anderen deutet die Formulierung des § 45 Abs. 3 ZPO ("Rechtskraft fähige Entscheidung") darauf hin, dass "Rechtskraft" und "Entscheidung" kumulative Tatbestandsvoraussetzungen sind, d.h. die Tatbestandsvoraussetzung "Entscheidung" sich gerade nicht in der Tatbestandsvoraussetzung "Rechtskraft" erschöpft. Jedenfalls aber spricht gegen die Bejahung des Vorliegens einer "Entscheidung" im Falle des § 539 Abs. 1 ZPO wegen berufungsgerichtlicher Rechtskraftschaffung, dass das Berufungsgericht hier - anders als im Falle der Säumnis des Beklagten, welcher Berufungsbeklagter ist (§ 539 Abs. 2 ZPO) - nicht selbst die mit Rechtskraft ausgestattet Anordnung vornimmt. Es weist lediglich die Berufung zurück und belässt es damit bei der Rechtskraft der angefochtenen Entsch...