Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wirksamkeit der formularmäßigen Vereinbarung einer Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern
Leitsatz (amtlich)
1. Aus der vertraglichen Verpflichtung, vor Arbeitsbeginn Vorauszahlungen auf die Vergütung des Auftragnehmers entrichten zu müssen, resultiert ein gesteigertes Sicherungsinteresse des Auftraggebers, das durch die Gestellung einer Vorleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern angemessen kompensiert wird. Eine dahin gehende Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist grundsätzlich wirksam.
2. Die zur Erlangung der Vorauszahlung nach dem Vertrage beizubringende Bankbürgschaft auf erstes Anfordern ist keine reine Vorauszahlungsbürgschaft im obigen Sinne, wenn sie auch noch nach Arbeitsbeginn und bis zur Verrechnung mit fälligen Abschlagsforderungen beim Auftraggeber verbleiben soll. Sie dient dann vielmehr auch der Absicherung der Vertragserfüllung für die Zeit nach der Erbringung der dem Wert der Vorauszahlung entsprechenden Vertragsleistung und hat insoweit den Charakter einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern, die keine angemessene Kompensation des Leistungsrisikos darstellt. Eine entsprechende Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hält der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle deshalb nicht stand.
3. In einem solchen Fall ist die betroffene Klausel in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zu den Folgen der unwirksamen formularmäßigen Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft a.e.A. zugunsten des Auftraggebers ergänzend dahin auszulegen, dass der Auftragnehmer die Stellung einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft schuldet (BGH BauR 2002, 1533 ff.)
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 15.01.2003) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 15.1.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten und der Streithelferin durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und die Streithelferin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Sicherheitsleistungen dürfen durch Bürgschaft einer im Geltungsbereich der Europäischen Union ansässigen Großbank oder Sparkasse erbracht werden.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die W. AG (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) bestellte mit Schreiben vom 10.5.2001 (Bl. 71 ff. GA) bei der Streithelferin der Beklagten (im Folgenden: Streitverkündete) vier zum Einbau in die Kläranlage der Gemeinde T. vorgesehene Umwälzeinrichtungen (Vertikalrührwerke) zum Preis von insgesamt 57.673,72 Euro. In der Bestellung heißt es u.a. (Schreibfehler korrigiert):
"8. Zahlungsbedingungen
30 % nach Auftragsbestätigung gegen Gestellung einer unbefristeten Bankbürgschaft
60 % nach Lieferung
10 % nach mangelfreier Abnahme durch den Endkunden
Gestellung einer unbefristeten Gewährleistungsbürgschaft über
5 % der Auftragssumme bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist.
Bürgschaften sind auf erste Anforderung vorzulegen."
Die Streitverkündete bestätigte den Auftrag mit Schreiben vom 22.5.2001 (Bl. 76 ff. GA), forderte von der Gemeinschuldnerin mit Schreiben vom 6.6.2001 die vereinbarte Vorauszahlung von 39.254,40 DM (= 20.070,46 Euro) und übermittelte ihr am 15.6.2001 eine auf erstes Anfordern ausgestellte Vorauszahlungsbürgschaft der Beklagten vom 12.6.2001 über den angeforderten Betrag (Bl. 13 GA). Daraufhin zahlte die Gemeinschuldnerin am 21.9.2001 die verlangten 20.070,46 Euro. Am 20.2.2002 ging bei der Streitverkündeten per Telefax ein mit "Stornierung der Bestellung" bezeichnetes, ansonsten mit dem o.g. Bestellschreiben inhaltsgleiches Schreiben der Gemeinschuldnerin ein (Bl. 83 ff. GA). Daraufhin rechnete die Streitverkündete unter dem 21.3.2002 ihre bis dahin erbrachten Leistungen ab und verlangte von der Gemeinschuldnerin unter Einbeziehung der Vorauszahlung weitere 16.923,10 Euro.
Bereits durch Beschluss vom 19.12.2001 (Bl. 81 f. GA) hatte das AG Münster im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin angeordnet, dass diese nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam über Gegenstände ihres Vermögens verfügen können sollte. Eröffnet wurde das Insolvenzverfahren gemäß Beschluss des AG Münster vom gleichen Tage am 1.3.2002 (Bl. 89 f. GA). Durch einen notariellen Kauf- und Übertragungsvertrag vom 15.3.2002 veräußerte und übertrug der Insolvenzverwalter der Klägerin die den Geschäftsbereich "Klärtechnik/Abwassertechnik" betreffenden Vermögenswerte und trat ihr die dieses Geschäftsfeld betreffenden Forderungen der Gemeinschuldnerin zum Inkasso ab. Die Parteien streiten u.a. darüber, ob auch eventuelle Forderungen aus der o.g. Vertragsbeziehung zur Streitverkündeten von der Abtretung umf...