Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Vereinbarung in Hinblick auf Bestehen eines Wohnrechts für betreute Personen
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.05.2022; Aktenzeichen 2-10 O 326/21) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-10 O 326/21) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil des Landgerichts und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieser Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 8.368,54 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Überlassung von Räumen zur wohnlichen Nutzung sowie Kostenersatz für ausgetauschte Schlösser und eine Zimmertür.
Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, der seit 1978 im Vereinsregister des Amtsgerichts Stadt1 eingetragen ist. Der Zweck des Vereins liegt in der Resozialisierung suchtabhängiger Menschen. Hierzu werden suchtabhängige Personen als Gäste in ihren Einrichtungen aufgenommen, um sie beim klinischen Entzug zu begleiten. Es werden Therapien, betreutes Wohnen und Nachsorge angeboten.
Die Klägerin wurde am 17.10.1978 als Gründungs- und Vorstandsmitglied der Beklagten aufgenommen.
Zusätzlich schlossen die Beklagte zu 1) und die Klägerin am 18.10.1978 einen Dienstvertrag, der - auszugsweise - folgenden Inhalt hatte:
"(...) Der Dienst für die X e.V. gliedert sich auf in Dienst als Geschäftsführerin für den Verein und als Leitende Mitarbeiterin in der Wohn- und Lebensgemeinschaft.
Sie verpflichtet sich freiwillig, sich ganz in diese Lebensgemeinschaft einzubringen."
Mit weiterer als Arbeits- und Dienstvertrag bezeichneten Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1), vertreten durch deren seinerzeitigen Vereinsvorsitzenden, vom 18.10.1993 wurden Ergänzungen und Erweiterungen des vorbenannten Dienstvertrages folgenden Inhalts getroffen:
1. Frau A ist mit Wirkung vom 27.12.1978 als Geschäftsführerin bei der X e.V. angestellt. Mit Wirkung vom 18.10.1993 übernimmt sie die Gesamtleitung.
2. (...)
3. (...)
4. Frau A kann Aufgaben delegieren sowie rechtliche bzw. juristische und finanzielle Beratung, Begleitung oder Vertretung jederzeit in Anspruch nehmen. Sie hat jederzeit Wohn-, Unterkunfts- und Nutzungsrecht in allen Häusern, wie bereits vorgegeben, auch nach Ausscheiden der offiziellen Dienstzeit.
5. Das Gehalt wird neu festgelegt zum 1.1.1994 auf Brutto DM 3.110,00, zuzüglich (wie gehabt) Sachbezüge Kost und Logis.
6. (....)
7. (...)
8. (...)
9. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, so berührt dies nicht die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen. Anstelle der unwirksamen Bestimmung des Vertrags oder zur Ausfüllung eventueller Lücken des Vertrages soll eine angemessene Regelung treten, die dem am nächsten kommt, was die Vertragspartner gewollt haben oder gewollt haben würden, wenn sie die Unwirksamkeit der Regelung oder die Lücke bedacht hätten.
10. Mündliche Vereinbarungen des Vertrages sind nicht gültig.
Diese Vereinbarung wurde zunächst nicht von der Mitgliederversammlung genehmigt; eine entsprechende Ermächtigung zum Abschluss von Verträgen eines Vorstandsmitglieds mit einem anderen Vorstandsmitglied lag ebenfalls nicht vor.
Die Beklagte zu 1) war Eigentümerin dreier Immobilien und zwar der Grundstücke "Haus Y", Straße1, Stadt1, "Haus Z", Straße1, Stadt1, sowie "Haus Q", Straße2, Stadt2.
Einige Jahre später setzte der Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden die Mitgliederversammlung über das Wohnrecht der Klägerin in Kenntnis und legte ob des kollusiven Zusammenwirkens der Klägerin und des vormaligen Vorstandsvorsitzenden sein Amt nieder. Zur Aufarbeitung der Geschehnisse wurde von der Mitgliederversammlung eine Kommission eingesetzt, die langwierige Verhandlungen mit der Klägerin führte, welche schließlich am 29.06.2006 in eine Änderungs- und Ergänzungsvereinbarung zum Dienstvertrag mündete.
Diese lautete wie folgt:
1. Das Wohnrecht für Frau A wird auf eines der Häuser der X e.V. beschränkt. Der Vorstand wird in Übereinkunft mit Frau A die entsprechende Lokalität klären.
2. Dieses Wohnrecht erlischt, wenn Frau A das Wohnrecht nicht mehr selbständig wahrnehmen kann und der Verein ihr dann einen ihrem Status als langjährige Leiterin und Geschäftsführerin angemessenen und zumutbaren Pflegeplatz besorgt hat.
3. Sollte der Verein X e.V. die Arbeit an suchtgefährdeten Menschen einstellen und die Diakoniezentren in Stadt1 und Stadt2 schließen, erlischt das Wohnrecht automatisch. In diesem Fall sieht Frau A als Ausgleich für den Verlust des Wohnrechts eine sofort in bar zahlbare Entschädigung in Höhe von 20.000 EUR zu, die ab Fälligkeit mit 3 Prozentpunkten üb...