Leitsatz (amtlich)
Ein auf Grund einer Falschberatung über den Wechsel eines Krankenversicherers entstandenen Schaden kann nicht "abstrakt" mit dem Barwert der Altersrückstellung des "alten" Versicherers begründet werden. Dieser ist nicht geeignet, die durch den konkreten Versicherungswechsel erlittenen Vermögenseinbußen abzubilden.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 21.10.2004; Aktenzeichen 3 O 10/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 21.10.2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die klagenden Eheleute waren im Jahre 1994, als sie 59 und 56 Jahre alt waren, unzufrieden mit den steigenden Beiträgen ihres Krankenversicherers X, dem sie 26 Jahre angehört hatten. Über den beabsichtigten Versichererwechsel ließen sie sich auf Empfehlung ihres Sohnes von der Beklagten beraten, deren geschäftsführender Gesellschafter dieser damals war. Auf Empfehlung eines Sachbearbeiters der Beklagten wechselten die Kläger durch Vermittlung der Beklagten zum 1.1.1995 zur Y (jetzt Z) Krankenversicherung.
Sie machen geltend, nicht darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die von der X angesammelte Altersrückstellung (besser Alterungsrückstellung) nicht - ähnlich dem Schadensfreiheitsrabatt in der Kraftfahrzeug-Versicherung - zu dem neuen Krankenversicherer mit überginge. Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte von einem Versichererwechsel abraten müssen. Unter Vorlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens (Bl. 6-31 d.A.) verlangen sie als Schaden aus dieser Fehlberatung den Barwert ihrer bei X angesammelten Alterungsrückstellungen ersetzt, weil ihnen dieser verloren gegangen sei.
Das LG hat die Klagen abgewiesen, nachdem die Kläger seinem Hinweis vorzurechnen, um wieviel die Prämien der neuen Krankenversicherung höher seien als die der alten, nicht nachgekommen sind. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.
Die Kläger bleiben bei ihrer Rechtsauffassung, ihr Schaden liege im Barwert der durch den Versicherungswechsel verloren gegangenen Alterungsrückstellung - eine Vergleichsrechnung legen sie nicht vor, weil dies nicht erforderlich sei.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.898,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.4.2004 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.561,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.4.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Berufung der Kläger bleibt ohne Erfolg, weil das LG ihre Klagen zu Recht abgewiesen hat.
1. Die Beklagte hat ihr aus dem Schuldverhältnis mit den Klägern erwachsene Pflichten verletzt. Als Versicherungsmaklerin schuldete die Beklagte bei ihrer Empfehlung und Vermittlung aus dem Maklervertrag eine umfassende Betreuung der Versicherungsinteressen ihrer Kunden und eine dementsprechende Beratung (Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 27. Aufl., nach § 48 Rz. 5; OLG Karlsruhe v. 1.7.2004 - 12 U 85/04, MDR 2004, 1419 = OLGReport Karlsruhe 2004, 345 = NJW-RR 2004, 1328). Zu Recht nimmt das LG deshalb an, dass die Beklagte die Kläger auf die Problematik der sog. Alterungsrückstellungen hätte hinweisen müssen, weil dies für die Entscheidung, den Krankenversicherer zu wechseln, von Bedeutung sein konnte, ohne dass es auf die Einzelheiten der Anfrage der Kläger ankommt oder darauf, ob sie bei der Anfrage bereits zum Versichererwechsel entschlossen waren. Der gegenteiligen Auffassung des LG Offenburg (LG Offenburg v. 25.7.2000 - 2 O 99/00, VersR 2002, 177), dass hierüber nicht aufgeklärt werden müsse, weil es sich von selbst verstehe, dass die Alterungsrückstellungen nicht "mitgenommen" werden könnten, vermag der Senat jedenfalls für das Jahr 1994 nicht zu teilen. Diese Frage war seinerzeit kontrovers diskutiert (s. die Argumente im zitierten Urteil des OLG Karlsruhe) und wurde erst durch die Entscheidung des BGH vom 21.4.1999 (BGH v. 21.4.1999 - IV ZR 192/98, BGHZ 141, 214 = MDR 1999, 932) geklärt. Ob der allgemein übliche Hinweis, die Aufgabe einer bestehenden Versicherung zum Zweck des Abschlusses einer Versicherung bei einem anderen Unternehmen der privaten Krankenversicherung sei im Allgemeinen für den Versicherungsnehmer unzweckmäßig und für beide Unternehmen unerwünscht, als Belehrung hier ausreichend gewesen wäre, kann dahinstehen, denn die Parteien tragen nicht vor, dass sich auf dem Antragsformular der Y Krankenversicher...