Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Anspruch auf Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen aufgrund einer unwirksamen Prämienanpassung erlangt der Versicherungsnehmer die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes mit Erhalt der seiner Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021 - IV ZR 113/20)
2. Der Verjährungsbeginn war in diesen Fällen nicht auf Grund einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage hinausgeschoben. Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsnehmer erst nach dem grundlegenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19) wegen der behaupteten Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen an seinen Versicherer gewandt hat.
3. Zur Unzulässigkeit eines Antrags auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassung in einem inzwischen beendeten Tarif.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 20.12.2022, Az. 11 O 68/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.078,97 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung in den Jahren 2016, 2017 und 2021 im Tarif X der Klägerin.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beitragserhöhungen zum 01.01.2017 und 01.01.2021 seien formell wirksam (§ 203 Abs. 5 VVG). Soweit die Klagepartei Ansprüche aufgrund der Beitragsanpassung im Jahr 2016 geltend mache, sei der Anspruch auf Rückerstattung der Erhöhungen und der hieraus gezogenen Nutzungen unter Berücksichtigung der wirksamen Folgeanpassung zum 01.01.2017 verjährt.
Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Gegen das Urteil richtet sich die Klagepartei mit ihrer Berufung, mit welcher sie - wie zuletzt in erster Instanz - die formelle Unwirksamkeit der Prämienanpassungen in den Jahren 2016, 2017 und 2021 sowie daraus resultierende Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung der ab 01.01.2016 gezahlten Erhöhungsbeträge geltend macht. Die Mitteilungsschreiben genügten nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG. In den Mitteilungen für das Jahr 2017 sei die Bedeutung des Begriffs der Leistungsausgaben unklar. Darüber hinaus sei unklar, ob es sich um Leistungsausgaben für die Allgemeinheit, die Tarifmitglieder oder für den einzelnen Versicherungsnehmer handele. In den Mitteilungsschreiben für das Jahr 2021 seien die maßgeblichen Gründe nicht hinreichend klar dargestellt. Zu Unrecht sei das Landgericht von einer Verjährung der bis zum 31.08.2018 entstandenen Ansprüche ausgegangen; angesichts der unklaren Rechtslage sei eine Klageerhebung vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs aus Dezember 2020 nicht zumutbar gewesen.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 5.594,19 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Neufestsetzung der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer 6838266.1 unwirksam sind:
a) die Anpassung des Beitrags im Tarif X zum 01.01.2016 in Höhe von 36,98 EUR
b) die Anpassung des Beitrags im Tarif X zum 01.01.2017 in Höhe von 24,07 EUR
c) die Anpassung des Beitrags im Tarif X zum 01.01.2021 in Höhe von 69,54 EUR
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat, auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Feststellungsantrag ist bereits unzulässig (1). Der mit dem Berufungsantrag Ziffer 1 geltend gemachte Bereicherungsanspruch steht der Klägerin nicht zu, da die Prämienanpassungen zum 01.01.2017 und 01.01.2021 wirksam waren (2) und Ansprüche aufgrund der Prämienanpassung zum 01.01.2016 verjährt sind (3).
1. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen ist neben dem Leistungsantrag unzulässig.
Es fehlt an dem von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzten Feststellungsinteresse. Aus einer Relevanz für die zukünftige Beitragspflicht der Klagepartei (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 - IV ZR 255/17, juris Rn. 17; Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, juris Rn. 19) lässt sich die Zulässigkeit nicht ableiten, da die Klagepartei unstreitig zum 01.05.2022 in den Basistarif gewechselt ist.
Aus diesem Grund ist der Antrag auch nicht als Zwischenfeststellungsklage aufgrund der Vorgreiflichkeit für die Rückforderu...