Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 23.06.2021; Aktenzeichen 8 O 624/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 23.06.2021 (8 O 624/20) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Aachen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen G.bank oder S.kasse zu erbringen.
4. Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Rechtsstreits wird zurückgewiesen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.406,20 Euro festgesetzt.
Gründe
A. I. Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten "Diesel-Abgasskandal". Der Kläger verlangt Rückzahlung des Kaufpreises für ein Fahrzeug im Wege des Schadensersatzes.
Am 16.02.2019 erwarb der Kläger bei der ... Automobile GmbH, ..., das streitgegenständliche Fahrzeug Audi A4 Limousine, Fahrzeug-Ident.-Nr. ..., mit einer Laufleistung von 67.010 km, ausgestattet mit einem Motor EA 897 (EU 6), zum Kaufpreis von 28.151,26 Euro netto (33.500,00 Euro brutto). Mit Schreiben vom 09.12.2020 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte - erfolglos - unter Fristsetzung bis zum 23.12.2020 zur Zahlung von Schadenersatz Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs auf.
Der Kläger hat behauptet, der streitgegenständliche Motortyp, Motorkennbuchstaben ..., 200 kW Leistung, Produktionszeitraum 2014-2017, unterliege einem verbindlichen Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sofern er in einem Audi A6 oder A7 verbaut sei. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschaltvorrichtung, die dazu führe, dass es einen wesentlich höheren NOx-Ausstoß aufweise als die Typgenehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) ausweise. Die nach der einschlägigen Abgasnorm Euro 6 vorgegebenen NOx-Grenzwerte würden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Bei den betroffenen Fahrzeugen springe zum einen im Prüfzyklus NEFZ eine sogenannte schadstoffmindernde Aufwärmstrategie an, die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiviert werde. Sie messe die Umgebungstemperatur und andere physikalische Größen und schließe aus diesen Umständen darauf, dass sich das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand befinde. Unter anderem am Lenkwinkeleinschlag des Lenkrades erkenne die Software den Testbetrieb auf dem Prüfstand. Zum anderen werde bei Fahrzeugen mit SCR-Katalysator eine Strategie eingesetzt, die die Nutzung von AdBlue unter bestimmten Bedingungen unzulässig einschränke. Es werde lediglich so viel AdBlue eingespritzt, dass erst beim nächsten Ölwechsel AdBlue nachgetankt werden müsse. Zur vorschriftsgemäßen Reinigung der Abgase sei die tatsächlich eingespritzte AdBlue-Menge jedoch viel zu gering. Nur auf dem Rollenprüfstand im NEFZ-Zyklus werde eine ausreichende Menge an AdBlue eingespritzt. Die Reduktion der Abgasrückführungsrate bis hin zur Abschaltung der Abgasrückführung werde durch eine temperaturgesteuerte Abschaltvorrichtung ("Thermofenster") erreicht. Der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis vom Einsatz dieser Abschalteinrichtungen gehabt. Der Mangel des Fahrzeugs könne durch ein Software-Update nicht beseitigt werden; es seien Minderung der Leistung, überhöhter Kraftstoffverbrauch, eine Überbeanspruchung des Motors sowie eine Beeinträchtigung der Dauerhaltbarkeit zu befürchten. Ein Weiterverkauf sei allenfalls mit erheblichem Wertverlust möglich.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.427,75 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A4 Limousine mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.525,90 Euro freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug, das über einen Motor des Typs VTDI (EU 6) verfügt, sei nicht von der im September 2015 bei Motoren des Typs EA 189 (EU 5) bekannt gewordenen Umschaltlogik der Abgasrückführung betroffen. Zudem enthalte es keine vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässig eingestufte Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 EG VO 715/2007. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp nicht Gegenstand eines verbindlichen Rückrufbescheids des Kraftfahrt-Bundesamts in Bezug auf sein Emissionsverhalten s...